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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0116
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Fünftes Buch. Vierter Abfchnitt.

Erfindung geftochen. Befonders gefchätzt find feine »zwölf Monate«, feine »Gold-
fchmiedwerkftätten« und feine aufserordentlich feinen Ornamentftiche. Seine
Figuren find ungewöhnlich fchlank und lang, aber immer von einer gewiffen
franzöfifchen Eleganz. Für eine harmonifche Durchdringung des aus Italien
eingeführten Ideals mit nationaler Empfindung war die Zeit noch nicht reif.
Erft das volle fiebzehnte Jahrhundert brachte fie Frankreich, wie Spanien und
den Niederlanden.
f^eMeierei. Weit fchlimmer jedoch, als in Frankreich, ftand es während des ganzen
16. Jahrhunderts noch in England1) mit der einheimifchen Kunft. Es würde
zu weit führen, hier auf die Gründe einzugehen, weshalb die Malerei auf den
britifchen Infein, von denen im früheren Mittelalter doch ein eigenartiger, ein-
flufsreicher Stil der Miniaturmalerei ausgegangen war (Bd. I, S. 193 ff., 266),
während der eigentlichen Renaiffanceepoche, ja, während der Blüthezeit des
englifchen Dramas unter Shakefpeare in tiefem Schlummer zu liegen fchien.
Genug, dafs erft im 16. Jahrhundert unter dem eigenwilligen Regimente Hein-
richs VIII. der Luxus und die Frachtliebe auch hier das Bedürfnifs nach male-
rifchem Schmucke wieder erweckten, wenn auch zunächft nur das Bedürfnifs
nach einer tüchtigen Bildnifsmalerei, wie fie dem Selbftbewufstfein jedes Einzelnen
Auswärtige in diefem urkräftigen Menfchenfchlage fchmeichelte. Da es an einheimifchen
Meifter. r ° 0
Künftlern fehlte, berief man auswärtige Meifter. Wir haben gefehen (Bd. II,
S. 456 ff), dafs Hans Holbein in England in erfter Linie Porträtmaler wurde;
M^°lbcie’e u ■ Hans Holbeins Kunftweife beherrfchte das ganze 16. Jahrhundert in Eng-
u. f. w. land. Nach ihm kamen Ant. Mor, Jooft van Cleve und eine Reihe anderer
Niederländer, die fchon oben befprochen worden find (S. 86—88). Es wäre jedoch
ein Irrthum, anzunehmen, England habe im 16. Jahrhundert überhaupt keine
Einheimi- einheimifchen Maler befeffen. Vielmehr finden wir hier fo gut Liften angeftellter
fche Meifter. . ° . . ° ■
Hofmaler oder »sergeant-painters«, wie in anderen Ländern; und in ihnen ragen
John Brown, in der erften Hälfte des Jahrhunderts Namen wie diejenigen John Brown s, der
And.Wright, als Alderman von London bis 1532 lebte, und Andrew Wrights hervor, feines
Nachfolgers im Hofdienfl, der 1543 in demfelben Jahre, wie Holbein, ftarb 2 3);
doch haben die Meifter diefes Schlages eben keine beglaubigten Werke hinter-
laffen, aus denen wir ihre Fähigkeiten beurtheilen könnten; und wir werden
gut thun, diefelben nicht zu hoch anzufchlagen, ja, im wefentlichen auf heral-
difche und ornamentale, im beften Falle miniaturenhafte Arbeiten befchränkt zu
w. Stretes. denken. Um die Mitte des Jahrhunderts war William Stretes*} (Street, Strote)
Hofmaler Eduards VI. Sein Bildnifs des Earls of Surrey in der Sammlung

1) Das Hauptwerk über das ältere Kunftleben in England find Horace Walpole’s vortreffliche
»Anecdotes of Painting in England«, welche zuerft 1761 in London Schienen, hier aber nach dem
Murray’fchen Neudruck von 1872 citirt werden. Zu wenig bekannt in England ift die dann folgende
»Gefchichte der Mahlerey in Grofsbritannien« von J. D. Fiorillo, Bd. V. feiner Gefch. d. zeichn.
Fünfte, Göttingen 1808. — Für diefe ältere Zeit weniger wichtig, doch immerhin fchon hier zu
citiren, ift Rich, und Sam. Redgrave’'s »A Century of Painters of the English school«, London 1866.
2) Hierüber vor allen Dingen J. G. Nichols, Notices of the contemporaries and successors of
Holbein und G. Scharf, Additional observations on some of the painters Contemporary with Holbein
in der englifchen Zeitfchrift »Archaeologia«, Vol. 39 (London 1863), p. 19—$6-
3) Walpole, Anecdotes, p. 79; — Waagen, Treasures of Art, III, p. 30. — Nichols (a. a. O.,
Archaeologia, Vol. 39, p. 81) nennt ihn wohl ohne genügenden Grund einen Holländer.
 
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