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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0129
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Die italienifche Malerei des 17. Jahrhunderts. A. Die Carracci. 117
fcheinen; und eben dadurch erklärt es fich denn auch, dafs die Nachwelt, wenn
fie von den grofsen Künftlern des fiebzehnten Jahrhunderts fpricht, immer eher
an die Holländer, die Belgier und die Spanier, als an die Italiener denkt. Die
Mode fpielt dabei freilich auch eine Rolle. Im vorigen Jahrhundert z. B. ge-
hörten gerade die grofsen italienifchen Eklektiker des fiebzehnten Jahrhunderts
noch zu den bevorzugteften und beftbezahlten Meiftern. Erft unfer Jahrhundert,
welches einen befonders feinen Sinn für den auf ihrer Selbftändigkeit beruhen-
den hiftorifchen Werth der Kunftfchöpfungen hat, bevorzugt die Niederländer
und Spanier. Doch wird gerade die Gefchichtsfchreibung fich von dem Stück
Mode, welches, wie gefagt, unzweifelhaft mitfpielt, nicht beeinfluffen laffen;
und wenn wir den grofsen italienifchen Secentiften mit hiftorifcher Unbefangen-
heit gegenübertreten, werden wir auch ihrer bleibenden Bedeutung in der
Gefammtgefchichte der Malerei leicht gerecht werden.
A. Die Carracci.1)
Ludovico Carracci hiefs der einfichtsvolle Künftler, welcher zuerft zu der Carracci°
Ueberzeugung kam, dafs es auf dem bisherigen Wege mit der Malerei nicht
weiter ging, dafs vielmehr nur ein ernfteres, eingehenderes Studium der alten
Meifter, als die Manieriften es zu treiben pflegten, verbunden mit einer ent-
fchloffenen Rückkehr zur Natur, der alternden Kunft neues Leben einzuhauchen
vermöge. Ludovico war 1555 in Bologna als Sohn des Metzgermeifters Seine
Vincenzo Carracci geboren. Er hatte feine Lehrjahre bei Profpero Fontana
(oben S. 16) durchgemacht; und gerade, da die Arbeit ihm nicht fo leicht
von der Hand ging, wie diefer Meifter es wünfchte und erwartete, fühlte er
zunächft für fich das Bedürfnifs, durch eifernen Fleifs und fcheinbar langfames,
aber ficheres Eindringen dem Wefen der Kunft auf den Grund zu kommen.
Nach feinen Lehrjahren trat er daher längere Wanderjahre an, die ihn in wsaenl^r
Florenz2) mit den Gemälden Andrea del Sarto’s, in Parma mit den Meifter- Jahre-
werken Correggios, in Mantua mit den Uebertreibungen Giulio Romano’s, in
Venedig, wo Tintoretto fich feiner annahm, mit der Kunftrichtung diefes
Meifters, Tizians und Paolo Veronefe’s bekannt machten. Correggio und die
Venezianer wurden die Leitfterne der neubolognefifchen Schule, wie Raphael
und Michelangelo diejenigen der Bolognefer des 16. Jahrhunderts gewefen
waren. Heimgekehrt, trat Ludovico 1578 der Malergenoffenfchaft feiner Vater-
ftadt bei und wufste hier zunächft feine beiden Grofsvettern3) Agoftino und
1) Francesco Scanelli: II Microcosmo della Pittura. Cefena 1657, p. 99. ff; befonders
p. 337—346.— Conte C. C. Malvafia: Felfina Pittrice. Vite de’ pittori Bolognefi. Bologna 1678, I,
p. 353 ff. — Antonio Bologni-a Amorini: Vite dei pittori etc. Bolognefi. Bologna 1841 — 1843,
T. I—V.; darin T. IV, fchon 1840 für fich gedruckt, Le vite di Lod.ovico, Agoftino, Annibale ed altri
dei Carraci. — Von modernen kritifchen Arbeiten find vor allen Dingen H. Janitfchek’s treffliche
Auffätze über diefe Meifter und ihre Hauptfchüler in Dohme’s »Kunft und Künftler« hervorzuheben.
2) Dafs er fich hier unter die Leitung des erft fpäter zu befprechenden Dom. Crefti, gen.
Paffignano, geftellt habe, wie Malvafia (a. a. O. S. 359 »poftofi fotto il Paffignano«) berichtet, ift
unwahrfcheinlich, da diefer allem Anfcheine nach jünger war, als er. Vgl. Lanzi, Storia pittorica
dell’ Italia, a. a. O. VI (Baffano 1809) p. 112.
3) Den Stammbaum der Familie giebt Malvafia a. a. O. p. 457.
 
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