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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0128
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116

Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.

Vorherr-
fchaft der
Schule von
Bologna.

Bedeutung
der Italien.
Malerei
des fieb-
zehnten Jahr-
hunderts.

Rückgang
des
italienifchen
Einfluffes.

im örtlichen Mittelmeer, die es gleich zu Anfang des folgenden Jahrhunderts
einbüfsen follte, noch fiegreich zu behaupten wufste, und Mailand fich unwillig
wie Neapel, unter das Joch der fpanifchen Fremdherrfchaft beugte. »Italia,
itaiienifche Italia!« rief Filicaja, Italiens mannhaftefter Dichter des fiebzehnten Jahrhunderts
aus: »O warft du ftärker oder minder fchön, dafs gröfs’re Furcht du oder
mind’re Liebe einflöfsteft allen, die dein Reiz beftrickt und dennoch dich auf
Tod und Leben fordern!« Aber ein Dichter, wie Filicaja, war eine Ausnahme
unter den damaligen Poeten Italiens; tonangebend war Giambattifta Marini
aus Neapel (1569—-1625), deffen blumenreiches, üppiges, geziertes, mytho-
logifch-idyllifches Heldengedicht »Adonis« die poetifche Richtung Italiens fürs
ganze Jahrhundert beftimmte und hier und da fogar auf die Malerei zurück-
wirkte; doch verfmkt die italienifche Malerei errt in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts in Flauheit und Süfsigkeit; in feiner erften Hälfte, und in vielen
Ausläufern noch in feinem dritten Viertel beherrfcht fie der Auffchwung-,
mit dem einige hervorragende Meifter fich fchon im letzten Viertel des fech-
zehnten Jahrhunderts den Banden des Manierismus entwanden, die einen,
indem fie, wie fchon erwähnt, die Rückkehr zu den grofsen Cinquecentiften,
Gliederung dje andern, indem fie die einfache Rückkehr zur Natur auf ihr Banner fchrieben.
aes Stoffes.
Da jedoch weder jene, die Eklektiker, noch diefe, die Naturalirten, ihr Princip
einfeitig verfolgten, indem jene dem Naturrtudium mindertens fo viel verdanken,
wie der Nachahmung der alten Meifter, diefe aber ebenfalls oft genug von
ihren Vorgängern abhängig erfcheinen, und da die Feindfchaft zwifchen den
verfchiedenen Schulen vielmehr eine Folge provinciell-patriotifcher Eiferfüchte-
leien, als bewufster Meinungsverfchiedenheit in Kunrtfragen war, fo werden
wir den Unterfchied zwifchen den italienifchen Eklektikern und Naturalirten,
wenngleich wir oft genug auf ihn hinzuweifen haben werden, doch nicht unterer
Schuleintheilung zu Grunde legen, fondern die Hauptmeirter felbft und die
Hauptftädte, in denen die Kunft blühte, zu den Ausgangspunkten unterer
Gliederung nehmen. Die mafsgebendfte Schule Italiens im fiebzehnten Jahr-
hundert ift die bolognefifche; von Bologna verbreitete die neue Richtung fich
über ganz Italien; und gerade weil die Kunft in Bologna früher als irgendwo
anders zu neuem Leben erwacht irt, müffen wir die bolognefifche und mit
ihr die ganze italienifche Malerei des fiebzehnten Jahrhunderts an die Spitze
unferer Betrachtung rtellen.
Uebrigens dürfen wir uns von vornherein keiner Täufchung darüber hin-
geben, dafs die italienifche Malerei die Führerrolle, welche ihr im fechzehnten
Jahrhundert zugefallen war, im fiebzehnten einbüfste. Nur einzelne italienifche
Meifter, wie Caravaggio und Guido Reni, übten jetzt noch einen Einflufs aus,
der über die Grenzen ihres weiteren Vaterlandes hinausging. Im allgemeinen
blieben für diejenigen Ausländer, welche in Italien Anknüpfungspunkte Richten,
nach wie vor die Cinquecentiften und unter ihnen, wie fchon angedeutet, haupt-
fächlich die Venezianer mafsgebend; mafsgebender jedenfalls als die neu
erflehenden Secentiften.
Aber gerade die gröfsere Selbftändigkeit der grofsen aufseritalifchen Künftler
der neuen Aera läfst diefe im grofsen und ganzen auch ihren italienifchen Zeit-
genoffen, die ihrer Mehrzahl nach doch nur »Eklektiker« waren, überlegen er-
 
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