Die italienifche Malerei des 17. Jahrhunderts. A. Die Carracci. I I9
(Bd. II. S. 790) richtete,1 * *) äufserte fich anfangs in den eigenen Werken der
Carracci manchmal in feiner unglücklichften Weife als Geftaltung verfchiedener
Theile desfelben Bildes in der Weife verfchiedener Meifter und Schulen der
Vergangenheit, bald aber glücklicher in der Verfchmelzung der Kunftart diefer
Meifter und Schüler. Diefe Verquickung ift jedoch, in den beften Werken,
durch felbftändiges Naturftudium geläutert, fo verfteckt, dafs uns wirklich ein
eigener, neuer Stil aus denfelben entgegentritt und nur Correggio noch öfter
aus ihnen hervorblickt, als vielleicht nothwendig wäre. Gerade bei den Schülern
der Carracci aber zeigte fich, wie wir fpäter fehen werden, dafs die Mängel, welche
ihre eklektifche Methode in der Theorie enthalten mochte, ihre praktifche
Lehre kaum beeinträchtigten; denn ihre Schüler fchlugen fehr verfchiedene
Wege ein und wurden ausgebildete Künftlerindividuen für fich. Bald ge- Einflufs der
wann die Akademie der Carracci, fo fehr fie von den Anhängern der alten derCarracci.
manieriftifchen Handfertigkeit anfangs befehdet und verfpottet wnrde, einen
folchen Einflufs, dafs die junge Kunftwelt fleh ihr ausfchliefslich zuwandte und
die alten Meifterateliers der Manieriften, wie diejenigen Fontana’s und Calvaert’s
verwaiften und gefchloffen werden mufsten. Der Sieg der Carracci war ein
vollftändiger; und der Einflufs ihrer Schule machte fleh bald in ganz Italien
bemerkbar.
Die Befprechung ihrer eigenen Schöpfungen beginnen wir am beften mit J^^werke
einer Betrachtung der grofsen monumentalen Werke, welche die drei Ver-
wandten zu gemeinfamer Thätigkeit verbanden.
Ihre frühefte gemeinfame Arbeit, welche fle feit 1582, noch vor der Jhresemein-
° , famen monu-
Eröffnung ihrer Schule, ausführten, find die Frescofriefe in zwei Sälen des mentalen
ö Arbeiten.
Palazzo Fava zu Bologna. Zuerft fchufen fie die durch grau in grau gemalte Die Friefe
t t -m-i t & desPal.Fava
Atlanten und Karyatiden getrennten achtzehn Bilder aus der Sage vom zu Bologna.
Argonautenzuge im Friefe des grofsen Saales. Agoftino erfand den Gedanken-
gang und malte die einfarbigen Geftalten zwifchen den Gemälden; Ludovico
fiel der Hauptantheil an der Compofition der achtzehn Bilder, Annibale der
Hauptantheil an ihrer malerifchen Ausführung zu. Die Künftler ringen hier
noch mit dem Stoffe und ihrem Talente; für eine decorativ-landfchaftliche
Wirkung ift das Figurengewimmel zu grofs und zu bunt, für eine decorativ-
figürliche Wirkung find die Figuren zu klein, find fie zu unruhig angeordnet
und fügen fie fich bei dem abfichtlichen Naturalismus der heftigen Bewegungs-
motive zu wenig den linearen Gefetzen. In dem anftofsenden kleineren Saale,
an deffen Ausfchmückung Ludovico fich auf Wunfch des Beftellers, Herrn
Filippo Fava’s, in gröfserem Umfange felbft betheiligte, find diefe Jugendfünden
fchon erfolgreicher überwunden. Die zwölf Friesbilder aus Virgils Aeneide,
welche durch monochrome, kauernde, aber nichts ftützende, vielmehr mit allen
Kräften andere, fratzenhafte Geftalten niederhaltende Jünglingsfiguren zwifchen
den gefimstragenden Pilaftern von einander getrennt werden, find hier weniger
überladen, klarer und ruhiger in der Linienführung, innerlich lebendiger in
1) Abgedruckt z. B. bei Guhl-Roj'mberg, Künftlerbriefe, II. S. 55. Es ift allerdings wohl mehr
eine fpielende Schmeichelei für Niccolo dell’ Abate, auf deffen Stil es zugeftutzt ift, als ein ernft-
haftes Programm der Accademia degli Incamminati.
(Bd. II. S. 790) richtete,1 * *) äufserte fich anfangs in den eigenen Werken der
Carracci manchmal in feiner unglücklichften Weife als Geftaltung verfchiedener
Theile desfelben Bildes in der Weife verfchiedener Meifter und Schulen der
Vergangenheit, bald aber glücklicher in der Verfchmelzung der Kunftart diefer
Meifter und Schüler. Diefe Verquickung ift jedoch, in den beften Werken,
durch felbftändiges Naturftudium geläutert, fo verfteckt, dafs uns wirklich ein
eigener, neuer Stil aus denfelben entgegentritt und nur Correggio noch öfter
aus ihnen hervorblickt, als vielleicht nothwendig wäre. Gerade bei den Schülern
der Carracci aber zeigte fich, wie wir fpäter fehen werden, dafs die Mängel, welche
ihre eklektifche Methode in der Theorie enthalten mochte, ihre praktifche
Lehre kaum beeinträchtigten; denn ihre Schüler fchlugen fehr verfchiedene
Wege ein und wurden ausgebildete Künftlerindividuen für fich. Bald ge- Einflufs der
wann die Akademie der Carracci, fo fehr fie von den Anhängern der alten derCarracci.
manieriftifchen Handfertigkeit anfangs befehdet und verfpottet wnrde, einen
folchen Einflufs, dafs die junge Kunftwelt fleh ihr ausfchliefslich zuwandte und
die alten Meifterateliers der Manieriften, wie diejenigen Fontana’s und Calvaert’s
verwaiften und gefchloffen werden mufsten. Der Sieg der Carracci war ein
vollftändiger; und der Einflufs ihrer Schule machte fleh bald in ganz Italien
bemerkbar.
Die Befprechung ihrer eigenen Schöpfungen beginnen wir am beften mit J^^werke
einer Betrachtung der grofsen monumentalen Werke, welche die drei Ver-
wandten zu gemeinfamer Thätigkeit verbanden.
Ihre frühefte gemeinfame Arbeit, welche fle feit 1582, noch vor der Jhresemein-
° , famen monu-
Eröffnung ihrer Schule, ausführten, find die Frescofriefe in zwei Sälen des mentalen
ö Arbeiten.
Palazzo Fava zu Bologna. Zuerft fchufen fie die durch grau in grau gemalte Die Friefe
t t -m-i t & desPal.Fava
Atlanten und Karyatiden getrennten achtzehn Bilder aus der Sage vom zu Bologna.
Argonautenzuge im Friefe des grofsen Saales. Agoftino erfand den Gedanken-
gang und malte die einfarbigen Geftalten zwifchen den Gemälden; Ludovico
fiel der Hauptantheil an der Compofition der achtzehn Bilder, Annibale der
Hauptantheil an ihrer malerifchen Ausführung zu. Die Künftler ringen hier
noch mit dem Stoffe und ihrem Talente; für eine decorativ-landfchaftliche
Wirkung ift das Figurengewimmel zu grofs und zu bunt, für eine decorativ-
figürliche Wirkung find die Figuren zu klein, find fie zu unruhig angeordnet
und fügen fie fich bei dem abfichtlichen Naturalismus der heftigen Bewegungs-
motive zu wenig den linearen Gefetzen. In dem anftofsenden kleineren Saale,
an deffen Ausfchmückung Ludovico fich auf Wunfch des Beftellers, Herrn
Filippo Fava’s, in gröfserem Umfange felbft betheiligte, find diefe Jugendfünden
fchon erfolgreicher überwunden. Die zwölf Friesbilder aus Virgils Aeneide,
welche durch monochrome, kauernde, aber nichts ftützende, vielmehr mit allen
Kräften andere, fratzenhafte Geftalten niederhaltende Jünglingsfiguren zwifchen
den gefimstragenden Pilaftern von einander getrennt werden, find hier weniger
überladen, klarer und ruhiger in der Linienführung, innerlich lebendiger in
1) Abgedruckt z. B. bei Guhl-Roj'mberg, Künftlerbriefe, II. S. 55. Es ift allerdings wohl mehr
eine fpielende Schmeichelei für Niccolo dell’ Abate, auf deffen Stil es zugeftutzt ift, als ein ernft-
haftes Programm der Accademia degli Incamminati.