124 Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.
dem Zufammenhange der Einzelbilder unter fich, fo muffen wir bedenken, dafs
es einen heiteren Feftraum feftlich heiter zu fchmücken galt. Die Künftler
find daher auch gewifs keinen Augenblick im Zweifel darüber gewefen, dafs
fie den Stoff für ihre Gemälde der ewigjungen Fabelwelt der griechifch-römifchen
Mythologie entlehnen müfsten; fie wählten die Liebesgefchichten der alten
Götter und Göttinnen. Wenn hier und da auch ein idyllifches Vorfpiel
(Hermes bringt Paris den Apfel) oder ein blutiges Nachfpiel (Perfeus ver-
nichtet auf feiner Hochzeit mit Andromeda deren früheren Verlobten Phineus
und deffen Gefährten durch das Medufenhaupt) mit dargeftellt ift und wenn die
Gelehrten, wie Giov. Batt. Agucchi, der den Meiftern mit feinem literarifchen
Rath zur Seite ftand, fich auch bemühten, eine moralifche Allegorie in das
Ganze hineinzudeuten'), fo waren die Liebesgefchichten doch der Kern, um
den es den Künftlern zu thun war. Das Hauptbild in der Mitte der Decke
Der Hoch- ftellt den Hochzeitszug des Bacchos und der Ariadne dar. Auf zwei Wagen
Bacchos und fahren die herrlichen, jugendfchönen Gottheiten neben einander her; derjenige
der Ariadne wird von Ziegenböcken, derjenige des Bacchos von Panthern
gezogen; jubelnd begleitet fie ihr lärmendes, bewegliches Gefolge von Satyren,
Silenen, Bacchantinnen und Nymphen. Die fchönen Leiber athmen Kraft und
Feuer. Die Compofition ift klar, frifch und lebendig; das grofse breite Bild
ift Annibale’s Meifterwerk und wurde ein Vorbild der zahlreichen gröfseren
und kleineren Bacchuszüge, -an denen das fiebzehnte Jahrhundert im Norden
wie im Süden der Alpen fo reich ift. Zu feinen Seiten befinden fich die
fchmaleren Darftellungen, wie Hermes dem Paris den Apfel bringt und wie Pan
der Artemis feine Wolle opfert. Das fchönfte Bild aber, welches Agoßino in diefem
Saale gemalt, (Fig. 451) zugleich in manchen Stücken das fchönfte des ganzen
Cyklus, ift das Mittelbild der einen Langfeite (an der Uebergangsrundung der
Decke zu den Wänden), welches den Triumph der Galatea darftellt, wie fie in
den Armen eines Meergottes, von Delphinen und Liebesgöttern, von Tritonen
und Nereiden geleitet, über’s blaue Meer dahinzieht; es ift eine Compofition
von einer Formen- und Farbenfchönheit, die halb an Raphael, halb an Paolo
Veronefe mahnt. Auch das Gegenftück diefes Gemäldes an der Mitte der gegen-
überliegenden Langfeite, welches darftellt, wie Aurora auf ihrem Wagen den
cfphaiu? geraubten Cephalus umarmt, rührt von Agoftino her, ift jedoch etwas plumper in
den Formen und fchwerer in den Farben.2) Zu Annibale s ferneren Hauptbildern
Annibale’s aber gehören die vier Hochbilder zu beiden Seiten diefer Breitbilder Agoftino’s:
vier Götter- ö .
liebesfcenen. Hera am Liebeslager des höchften Gottes (Fig. 452), Anchifes im Begriffe,
Aphrodite zu entkleiden, Artemis, wie fie den fchönen Endymion umarmt, und
Herakles in den Banden der Omphale. Diefen Bilderreihen entfprechen an den
phembiid^’r. Schmalfeiten der Deckenrundung die beiden Polyphembilder, über denen die beiden
Kleinere kleineren Darftellungen, »der Adler des Zeus mit Ganymedes« und »Apollon mit
langen. Hyakinthos«, den Uebergang zum Deckenfpiegel bilden. Die eigentlichen Wände
befchränken fich an den Langfeiten, von kleineren malerifchen Zuthaten
1) Keliori, a. a. O. p. 65 und Malvafia, a. a. O. p. 440 fügten ihrem Bericht einen eigenen
Abfchnitt unter der Ueberfchrift: «Allegoria delle Favole« ein.
2) Die Originalcartons zu diefen beiden Hauptbildern Agoftino’s in der Galerie Farnefe befinden
fich in der Nationalgalerie zu London.
dem Zufammenhange der Einzelbilder unter fich, fo muffen wir bedenken, dafs
es einen heiteren Feftraum feftlich heiter zu fchmücken galt. Die Künftler
find daher auch gewifs keinen Augenblick im Zweifel darüber gewefen, dafs
fie den Stoff für ihre Gemälde der ewigjungen Fabelwelt der griechifch-römifchen
Mythologie entlehnen müfsten; fie wählten die Liebesgefchichten der alten
Götter und Göttinnen. Wenn hier und da auch ein idyllifches Vorfpiel
(Hermes bringt Paris den Apfel) oder ein blutiges Nachfpiel (Perfeus ver-
nichtet auf feiner Hochzeit mit Andromeda deren früheren Verlobten Phineus
und deffen Gefährten durch das Medufenhaupt) mit dargeftellt ift und wenn die
Gelehrten, wie Giov. Batt. Agucchi, der den Meiftern mit feinem literarifchen
Rath zur Seite ftand, fich auch bemühten, eine moralifche Allegorie in das
Ganze hineinzudeuten'), fo waren die Liebesgefchichten doch der Kern, um
den es den Künftlern zu thun war. Das Hauptbild in der Mitte der Decke
Der Hoch- ftellt den Hochzeitszug des Bacchos und der Ariadne dar. Auf zwei Wagen
Bacchos und fahren die herrlichen, jugendfchönen Gottheiten neben einander her; derjenige
der Ariadne wird von Ziegenböcken, derjenige des Bacchos von Panthern
gezogen; jubelnd begleitet fie ihr lärmendes, bewegliches Gefolge von Satyren,
Silenen, Bacchantinnen und Nymphen. Die fchönen Leiber athmen Kraft und
Feuer. Die Compofition ift klar, frifch und lebendig; das grofse breite Bild
ift Annibale’s Meifterwerk und wurde ein Vorbild der zahlreichen gröfseren
und kleineren Bacchuszüge, -an denen das fiebzehnte Jahrhundert im Norden
wie im Süden der Alpen fo reich ift. Zu feinen Seiten befinden fich die
fchmaleren Darftellungen, wie Hermes dem Paris den Apfel bringt und wie Pan
der Artemis feine Wolle opfert. Das fchönfte Bild aber, welches Agoßino in diefem
Saale gemalt, (Fig. 451) zugleich in manchen Stücken das fchönfte des ganzen
Cyklus, ift das Mittelbild der einen Langfeite (an der Uebergangsrundung der
Decke zu den Wänden), welches den Triumph der Galatea darftellt, wie fie in
den Armen eines Meergottes, von Delphinen und Liebesgöttern, von Tritonen
und Nereiden geleitet, über’s blaue Meer dahinzieht; es ift eine Compofition
von einer Formen- und Farbenfchönheit, die halb an Raphael, halb an Paolo
Veronefe mahnt. Auch das Gegenftück diefes Gemäldes an der Mitte der gegen-
überliegenden Langfeite, welches darftellt, wie Aurora auf ihrem Wagen den
cfphaiu? geraubten Cephalus umarmt, rührt von Agoftino her, ift jedoch etwas plumper in
den Formen und fchwerer in den Farben.2) Zu Annibale s ferneren Hauptbildern
Annibale’s aber gehören die vier Hochbilder zu beiden Seiten diefer Breitbilder Agoftino’s:
vier Götter- ö .
liebesfcenen. Hera am Liebeslager des höchften Gottes (Fig. 452), Anchifes im Begriffe,
Aphrodite zu entkleiden, Artemis, wie fie den fchönen Endymion umarmt, und
Herakles in den Banden der Omphale. Diefen Bilderreihen entfprechen an den
phembiid^’r. Schmalfeiten der Deckenrundung die beiden Polyphembilder, über denen die beiden
Kleinere kleineren Darftellungen, »der Adler des Zeus mit Ganymedes« und »Apollon mit
langen. Hyakinthos«, den Uebergang zum Deckenfpiegel bilden. Die eigentlichen Wände
befchränken fich an den Langfeiten, von kleineren malerifchen Zuthaten
1) Keliori, a. a. O. p. 65 und Malvafia, a. a. O. p. 440 fügten ihrem Bericht einen eigenen
Abfchnitt unter der Ueberfchrift: «Allegoria delle Favole« ein.
2) Die Originalcartons zu diefen beiden Hauptbildern Agoftino’s in der Galerie Farnefe befinden
fich in der Nationalgalerie zu London.