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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0138
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I2Ö

Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.

fo darf man dem gegenüber nicht vergeßen, dafs die wuchtigeren Formen der
umrahmenden Decoration ebenfalls in den Gemälden energifche Umriffe ver-
langten; und wenn die Färbung der einzelnen Bilder etwas ungleich erfcheint
und nicht von allen die gleiche Frifche und Wärme ausftrahlt, fo mufs man
bedenken, dafs auch die Farbe fich mit der Rolle zu begnügen hatte, die ihr an
jeder Stelle innerhalb der Gefammtdecoration zukam. Im Ganzen aber ift das Werk
von feiner coloriftifchen Seite ebenfowohl als von der Seite der Formengabe
eine decorative Prachtleiftung erften Ranges; und die Nachwelt wird den
Palazzo Farnefe in Rom — der zur Zeit leider fo gut wie unzugänglich ift —
nach wie vor zu den Wallfahrtszielen aller Künftler und Kunftfreunde rechnen,
welche fich an malerifchen Gefammtwirkungen einheitlich gefchmückter Binnen-
räume erfreuen wollen.
Gemeinfam haben die Carracci nach diefer Zeit nicht mehr gearbeitet.
Agoftino ftarb, wie wir fehen werden, bald nachdem er Rom verlaßen, Annibale
bald nachdem er die Fresken im Palazzo Farnefe beendet. Ludovico, der ältere,
Die Einzel- überlebte fie beide. Gehen wir alfo zur Betrachtung der Einzelleiftungen der
leiftungen , o o
der drei drei Meifter über!
Carracci.
Ludovico. Ludovico fleckt in feinen früheren Werken theils noch am meiften in der
jugendftii. alten Manier, theils am unbedingteften im Banne Correggios und Parmeg-
gianino’s; in den Arbeiten feiner mittleren Zeit erfcheint fein Eklekticismus oft
an unvermittelften und unabgeklärteften, und zugleich kennzeichnet fie ein
Streben nach wuchtigen Formen, ohne dafs er ihnen wirkliche innere Gröfse
zu geben verflanden hätte; erft in den Gemälden feiner letzten Epoche ift er,
langfam wie er war, zu innerlicherer Harmonie und echterer Gröfse hindurch-
gedrungen. In der malerifchen Technik wies er hauptfächlich auf Correggio
hin, deffen Helldunkel er, wenn auch gemäfsigt, feiner ganzen Schule mittheilte.
Sein jm yerfahren ftand er jedoch auf eigenen Füfsen. Durch ihn kam der dunkle,
braunrothe Bolusgrund auf, auf dem er die Fleifchtöne blaugrau untertufchte, um
die Modellirung einfarbig auszuführen und mit forgfältiger Lokalfarbenlafur zu
vollenden.') Der coloriftifche Gefammteindrnck feiner Wrerke ift in Folge
deffen einheitlich und warm, nicht ohne eine gewiffe Leuchtkraft, aber auch
nicht ohne eine gewiffe Schwere, die Ludovico in allen Stücken anhaftete.
Seme Von den erften Fresken des Meillers hat fich wenig erhalten. Deutlich
Jugendbildei- . . ,
in der aber tritt uns fein Jugendftii in zwei Altarblättern entgegen, welche fich jetzt
zu Bologna in der Pinakothek von Bologna befinden; das erftere, welches »Ludovico Car-
racci 1588« bezeichnet ift, ftellt die thronende Madonna dar, von vier Heiligen
mit den Zügen der Angehörigen der Stifterfamilie Bargellini in lebhafter Be-
wegung knieend verehrt, von Engeln mit ausgeprägt correggesken Typen um-
flattert und umfpielt; das andere zeigt die Madonna, wie fie als Sinnbild ihrer
unbefleckten Empfängnifs auf dem Monde fleht, neben ihr in ekftatifcher Be-
wegung den heiligen Franciscus, unter ihr Hieronymus; es ift ein Bild, welches
feiner Zeit fehr bewundert und in der That in manchen Beziehungen ton-
angebend für die neue Richtung wurde. In dem letzten Jahrzehnte des Jahr-

1) H. Ludwig. Ueber die Grundfätze der Oelmalerei und das Verfahren der clafftfchen Meifter,
Leipzig 1876, V. 251 — 252.
 
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