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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0188
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IJ7Ö Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.
und fo fand er den Uebergang zu feiner zweiten Art, deren Eigenthümlichkeit
darin befteht, dafs fie durch grelle, in der Regel von oben einfallende Lichter und
dunkle Schatten, die den Hintergrund oft in undurchdringliche Nacht hüllen, die
Geftalten mit malerifchen Mitteln noch immer plaftifcher auf fich felbft zu Hellen
fucht. Es ift eine einfeitig auf die Spitze getriebene und ficher nicht mehr
»naturaliftifche«, weil nicht mehr natürliche Weiterbildung des Helldunkel-
princips Correggios, wie wir fie bei Rembrandt in einer anderen, an fich
berechtigteren, malerifchen, weicheren und farbenglühenderen Art wiederfinden
werden. Immerhin aber drückt Caravaggio den unruhigen, wilden Inhalt
feiner eigenen Perfönlichkeit wie feiner meiften Darfleilungen charakteriftifch
durch jene Behandlung aus. Er packt uns und zieht uns in feinen Ideenkreis
hinein; und das ift unzweifelhaft ein »ideales« Element in feinem leidenfchaft-
lichen Formennaturalismus. In diefer neuen Art, die er jedoch nur allmählich
zu ihrer vollen Schärfe ausbildete, hat er feine meiften grofsen Kirchenbilder
chenbiider g'emalt. Hierher gehören zunächft die Matthäusbilder in der Kirche S. Luigi
de’ Francfsi de* Francesi zu Rom, die Berufung des Apoftels und fein Martyrium, kräftige,
zu Rom, derbe, reichlich mit Nebenperfonen aus dem Volke ausgeftattete Gemälde,
welche noch in diefer Kirche zu fehen find, während das zu ihnen gehörige
Altarbild, welches die mit übereinandergefchlagenen Beinen dafitzende über-
lebensgrofse Geftalt des Heiligen darftellt, dem fein Engel die evangelien-
fchreibende Hand führt, fchon bald, nachdem es gemalt war, von feinem
im Berliner heiligen Platze entfernt wurde und fich jetzt im Berliner Mufeum befindet.
Mufeum, ö J
Jenen Matthäusbildern fchliefsen die Fresken der Bekehrung Pauli und der
'de^Popoio3 Kreuzigung Petri in S. Maria del Popolo fich an. Dem Altarbilde des Todes
zu Rom, Mariae aber, welches er für die Kirche della Scala jenfeits des Tiber gemalt
hatte, erging es wie dem Altarbilde in S. Luigi. Die Geiftlichkeit verwies es
von der heiligen Stätte; und jetzt gehört es zu den packendften, wenngleich in
"Ju P°auJsre der That nicht zu den erfreulichften Bildern des Louvre zu Paris. In die
in der Lon- Reihe diefer Darftellungen des Meifters gehören ferner »das Gaftmahl zu
doner
Galerie, Emmaus« in der Londoner Nationalgalerie, die Grablegung Chrifti im Berliner
in Wien, Mufeum, die Madonna vom Rofenkranz in der kaif. Galerie zu Wien, die
in München, ]2)ornenkrönung in der Münchener Pinakothek, die Bekehrung Pauli im Pak
1 fliehen6^ Balbi-Piovera zu Genua, die Auferweckung des Lazarus im Pal. Brignole, die
Paiäften, Verleugnung Petri, ein mit Vorliebe vom Meifter wiederholter Gegenftand, im
Pal. Marcello Durazzo derfelben Stadt, die Kreuzigung Petri in der Eremitage
lnStbuJjers‘ zu St. Petersburg und die hl. Familie der Galerie Borghefe zu Rom; in Rom aber
m der Gai. vor auen Dingen die berühmte grofse Grablegung der vatikanifchen Galerie,
im Vatican ejn Werk, über deffen derbe Auffaffung es leicht ift, fich zu beklagen, deflen
Die Grab- ernfter, furchtbarer Wahrheit im Schmerzensausdruck es aber fchwer ift, zu
legung im , i • i r •
Vatican. widerlichen (Fig 463). Jede einzelne Geftalt fcheint etwas eckig oder gelpreizt
dazuftehen; die ganze Gruppe aber fchliefst fich, wenn auch weder fymmetrifch
noch pyramidal, doch zu einheitlichem, feftgefügtem Ganzen zufammen. In
feiner Art ift es ein grofses, jeden Unbefangenen mächtig feffelndes Meifter-
werk. In den Kirchen Neapels und Siciliens, fowie in verfchiedenen Samm-
lungen Europas haben fich noch verfchiedene geldliche Bilder von Caravaggio s
Hand erhalten; doch können wir nur noch auf zwei ganz genrehaft wirkende
 
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