Die fpanifche Malerei des 17. Jahrhunderts. A. Die Schule von Sevilla bis auf Murillo. 241
Kunft diefer Stadt; Murillo aber, der grofse, feurige, fchwärmerifche Haupt-
meifter Sevilla’s, fafste alles Wollen und Können der andalufifchen Kunft fo
fruchtbar und fo phänomenal zufammen, dafs er, fo gut wie jener, in einem
Capitel für fich betrachtet werden mufs.
Wir haben in diefem erften Capitel daher die Schule von Sevilla nur bis Begrenzung
diefes
zur Abzweigung des Velazquez von ihr und bis zum mafsgebenden Auftreten Capiteis.
Murillos in ihr kennen zu lernen.
Zu den Uebergangsmeiftern von der alten in die neue Kunftweife wird
neben Roelas und Pacheco, den Sevillanern, neben den Ribalta in Valencia und
neben Meiftern, wie Vicente Carducho in Madrid, in der Regel auch Francisco Fr-, Her.rera
0 el viejo.
Herrera el viejo (d. h. der ältere) von Sevilla geftellt. Indeffen gilt den
Spaniern gerade Herrera als der kühne Neuerer auf technifchem Gebiete, Sem Stil,
welcher, der alten, forgfältigen, glatten Modellirung müde, der modernen,
mächtigen, breiten Technik die Wege wies, jener Technik, welche den Eindruck
malerifcher Wahrheit durch reichlichen Farbenauftrag, durch kühne, breite,
oft unverfchmolzene Pinfelftriche und, mit Verfchmähung aller Einzelfeinheiten,
durch ein energifches Hinarbeiten auf die Gefammtwirkung zu erreichen beftrebt
ift; und wenn Roelas in feinen reifften Werken eine ähnliche Technik auch
fchon mit feinerem Mafse und gröfserem künftlerifchen Erfolge angewandt
hatte, fo müffen wir Herrera doch, fchon weil er der rückfichtslofere und der jüngere
ift, feine Stellung an der Spitze diefer neuen Epoche der fpanifchen Kunft
laffen. Herrera el viejo fchofs in dem Ungeftüm feiner flotten Malweife in der
That nicht feiten über’s Ziel hinaus; und feiten oder nie erreicht er durch fie
die fefte, feine, ruhige Wirkung, die gleichzeitig der Holländer Frans Hals mit
einem ähnlichen Verfahren zu erzielen wufste. Aber er wies feinen Landsleuten
den Weg, fich auch technifch vom hergebrachten Schlendrian zu emancipiren;
und fein Schüler Velazquez bewies dann auch weit beffer, als er, bewies
fchlagend für alle Zeiten, dafs diefer Weg in der That einer der Wege ift,
die zum Ziel der höchften Leiftungen auf dem Gebiete der malerifchen Technik
führen.
Fr. Herrera el viejo wurde um 1576 in Sevilla geboren, war, wie es Sein Leben,
fcheint, Pacheco’s Mitfchüler bei Luis Fernandez (oben, S. 53), fchlug aber bald
feine eigene Richtung ein und gründete felbft eine Schule in Sevilla. Da
jedoch die Unbändigkeit feines Wefens dem Ungeftüm feiner Malweife entfprach,
hielt keiner feiner Schüler es bei ihm aus und verliefsen ihn felbft feine eigenen
Kinder. Sevilla’s überdrüffig und verlockt durch Velazquez’ Erfolge, zog
er in feinen alten Tagen (1650 nach Bermudez, 1640 nach Palomino, jedenfalls
nach 1647, da er in diefem Jahre noch in Sevilla nachgewiefen ift) nach Madrid,
wo er 1656 ftarb.
Seine Werke find hauptfächlich in Sevilla zu ftudiren. Doch find feine Seine Werke.
Fresken faft alle untergegangen; nur die Minoritengeftalten, welche er ans FSei£e
Gewölbe und in die Kuppel der Kirche S. Bonaventura zu Sevilla gemalt hat,
1) Don Ant. Palomino Velasco, Las vidas de los pintores etc. Madrid 1714, (Anhang zum T. II
des Museo Pictorico) p. 313—314. — Bermudez, Diccionario historico (Madrid 1800) II p. 274—279.
— Stirling, Annals of the Artists of Spain, (London 1848) I p. 454—460.
Gefchichte d. Malerei. III 16
Kunft diefer Stadt; Murillo aber, der grofse, feurige, fchwärmerifche Haupt-
meifter Sevilla’s, fafste alles Wollen und Können der andalufifchen Kunft fo
fruchtbar und fo phänomenal zufammen, dafs er, fo gut wie jener, in einem
Capitel für fich betrachtet werden mufs.
Wir haben in diefem erften Capitel daher die Schule von Sevilla nur bis Begrenzung
diefes
zur Abzweigung des Velazquez von ihr und bis zum mafsgebenden Auftreten Capiteis.
Murillos in ihr kennen zu lernen.
Zu den Uebergangsmeiftern von der alten in die neue Kunftweife wird
neben Roelas und Pacheco, den Sevillanern, neben den Ribalta in Valencia und
neben Meiftern, wie Vicente Carducho in Madrid, in der Regel auch Francisco Fr-, Her.rera
0 el viejo.
Herrera el viejo (d. h. der ältere) von Sevilla geftellt. Indeffen gilt den
Spaniern gerade Herrera als der kühne Neuerer auf technifchem Gebiete, Sem Stil,
welcher, der alten, forgfältigen, glatten Modellirung müde, der modernen,
mächtigen, breiten Technik die Wege wies, jener Technik, welche den Eindruck
malerifcher Wahrheit durch reichlichen Farbenauftrag, durch kühne, breite,
oft unverfchmolzene Pinfelftriche und, mit Verfchmähung aller Einzelfeinheiten,
durch ein energifches Hinarbeiten auf die Gefammtwirkung zu erreichen beftrebt
ift; und wenn Roelas in feinen reifften Werken eine ähnliche Technik auch
fchon mit feinerem Mafse und gröfserem künftlerifchen Erfolge angewandt
hatte, fo müffen wir Herrera doch, fchon weil er der rückfichtslofere und der jüngere
ift, feine Stellung an der Spitze diefer neuen Epoche der fpanifchen Kunft
laffen. Herrera el viejo fchofs in dem Ungeftüm feiner flotten Malweife in der
That nicht feiten über’s Ziel hinaus; und feiten oder nie erreicht er durch fie
die fefte, feine, ruhige Wirkung, die gleichzeitig der Holländer Frans Hals mit
einem ähnlichen Verfahren zu erzielen wufste. Aber er wies feinen Landsleuten
den Weg, fich auch technifch vom hergebrachten Schlendrian zu emancipiren;
und fein Schüler Velazquez bewies dann auch weit beffer, als er, bewies
fchlagend für alle Zeiten, dafs diefer Weg in der That einer der Wege ift,
die zum Ziel der höchften Leiftungen auf dem Gebiete der malerifchen Technik
führen.
Fr. Herrera el viejo wurde um 1576 in Sevilla geboren, war, wie es Sein Leben,
fcheint, Pacheco’s Mitfchüler bei Luis Fernandez (oben, S. 53), fchlug aber bald
feine eigene Richtung ein und gründete felbft eine Schule in Sevilla. Da
jedoch die Unbändigkeit feines Wefens dem Ungeftüm feiner Malweife entfprach,
hielt keiner feiner Schüler es bei ihm aus und verliefsen ihn felbft feine eigenen
Kinder. Sevilla’s überdrüffig und verlockt durch Velazquez’ Erfolge, zog
er in feinen alten Tagen (1650 nach Bermudez, 1640 nach Palomino, jedenfalls
nach 1647, da er in diefem Jahre noch in Sevilla nachgewiefen ift) nach Madrid,
wo er 1656 ftarb.
Seine Werke find hauptfächlich in Sevilla zu ftudiren. Doch find feine Seine Werke.
Fresken faft alle untergegangen; nur die Minoritengeftalten, welche er ans FSei£e
Gewölbe und in die Kuppel der Kirche S. Bonaventura zu Sevilla gemalt hat,
1) Don Ant. Palomino Velasco, Las vidas de los pintores etc. Madrid 1714, (Anhang zum T. II
des Museo Pictorico) p. 313—314. — Bermudez, Diccionario historico (Madrid 1800) II p. 274—279.
— Stirling, Annals of the Artists of Spain, (London 1848) I p. 454—460.
Gefchichte d. Malerei. III 16