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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0262
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Sechstes Buch. Zweiter Abfchnitt.

welche an den Stil Murillos erinnert, auf deffen Nachahmung Antonio fich in
feiner fpäteren Zeit ohne befonderes Glück verlegt hatte.
Neben Zurbaran ein wirklich bedeutender Meifter der Schule von Sevilla
AionfoCano. aber war Alonso Como; ja, als Architekt, Bildhauer und Maler fpielt diefer Meifter
überhaupt eine hervorragende Rolle in der fpanifchen Kunftgefchichte. Was er
a^s ^rchitekt geleiftet, tritt hauptfächlich in den grofsen Altären zu Tage,
die er ausgeführt. Als Bildhauer war er ein Schüler des Martinez Montanes;
und feine in der Regel aus Holz gefchnitzten und reich al eftofado bemalten
Statuen und Statuetten, die man befonders in Sevilla und Granada kennen
lernt, gehören zu den charakteriftifchften, formenreinften und farbenfchönften
Werken diefer Art. Am meiften intereffirt auch er uns gleichwohl als Maler.
Sein Stu. Was ihm als folchem an packender Individualität fehlt, erfetzt er durch ruhige,
anfprechende Harmonie. Seine plaftifchen Studien kamen feinem Verftändnifs
der Formen zur Hülfe, fein architektonifches Gefühl fpiegelt fich in dem Gleich-
gewicht feiner Compofitionen wieder. Seine grofse Correctheit der Zeichnung und
der Modellirung weifs er mit breiter, weicher, flüffiger Pinfeiführung zu vereinigen;
die Naturftudien, die er am Modell gemacht, verlieht er durch ein gewiffes ideales
Schönheitsgefühl gemildert zu verwerthen ;i das fpanifche Helldunkel liebt er
um eine volle, fatte, aber ruhige und gedämpfte Farbenharmonie fpielen zu laffen.
Die Spanier Hellen ihn gerade deshalb fo hoch, weil einige fpanifche Härten
und Seltfamkeiten in ihm gemildert uud abgefchliffen erfcheinen; uns wird er
weniger feffeln, alsRoelas, Zurbaran, Murillo und Velazquez, weil er die nationalen •
Eigenthümlichkeiten der fpanifchen Kunft, fo wenig er diefelben in irgend
einem feiner Werke verleugnet, doch nicht fo geiftvoll und lebendig in fich
zufammenfafst, wie diefe.
Sein Leben. Alonfo Cauo war Andalufier, aber kein Sevillaner von Geburt. Er war
1601 in Granada geboren. Als fich feine Begabung für die Kunft herausftellte,
zogen feine Eltern mit ihm nach Sevilla. In der Malerei war erft Pacheco
(oben S. 56), dann Juan del Caftillo (oben S. 53) fein Lehrer, und dafs er über
die Technik diefer Meifter hinaus bei aller Strenge feiner Auffaffung in die
gröfsere Weichheit, Freiheit und Breite des neuen Jahrhunderts hinüberfteuerte,
verdankte er, aufser dem allmächtigen Zuge der Zeit und der echt künftlerifchen
Anlage feines Geifies, wohl dem Beifpiel feines fünfundzwanzig Jahre älteren
Schulgenoffen Herrera. Cano hatte fich bereits eine herrfchende Stellung im
Kunftleben Sevillas erobert, als ein Duell ihn 1637 zwang, die Stadt feiner Wahl
zu verlaffen. Er wandte fich nach Madrid, wo er glänzend aufgenommen, bald
zum Hofmaler ernannt und zum Zeichenlehrer des jungen Prinzen Baltafar be-
rufen wurde. Fünfzehn Jahre, reich an Ehre und an Arbeit, aber auch reich
an Enttäufchungen, an Streitigkeiten und an Unannehmlichkeiten (ift er nach
Palomino ') doch fogar wegen des Verdachtes, feine eigene Gattin ermordet
zu haben, vor Gericht geftellt und gefoltert1 2), aber, weil er den Folterqualen
Stand hielt, freigefprochen worden!) verlebte er in der Refidenzfladt. Nur
1) A. a. O. II, p. 390—391.
2) Von Cean B ermüde,, a. a. O. I p 211 wird der Prozefs bezweifelt. Dagegen vergl. man
den bei Stirling, a. a. O. II p. 787 und bei Ch. Blanc (Histoire des peintres, Cano p. 5) angeführten
alten Chroniften, der das Ereignifs zum Jahre 1644 berichtet
 
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