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Sechstes Buch. Zweiter Abfchnitt.
Seine Reife
nachMadrid.
Seine
Rückkehr
nach Sevilla.
an; und von ihnen aus hat der »estilo vaporoso« fich auch anderen feiner
fpäteren Schöpfungen mitgetheilt.
^eben”5 Bartolome Esteban Murillo wurde am i. Januar 1618 zu Sevilla getauft.
Da es damals Sitte war, die Kinder am Tage nach ihrer Geburt zu taufen,
Lthrner. er wahrfcheinlich am 31. December 1617 geboren. Sein Lehrer war
Juan del Castillo (oben S. 53). So lange er nur durch diefen beeinflufst war,
vermochte er nicht, fich über deffen trockene und harte Vortragsweife zu er-
Entw^kiung. heben. Erft als Pedro de Moya (oben S. 254) nach van Dycks Tode im Jahre
1642 nach Sevilla zurückkehrte und dort mit feinen freieren, weicheren Werken
Auffehen erregte, foll Murillo zu der Einficht gekommen fein, wie weit entfernt
er davon fei, den Anfprüchen der Zeit an eine wirklich malerifche Vortragsweife
zu genügen {). Rafch entfchloffen, erwarb er fich durch einige jener billigeren
Arbeiten, mit denen er fich damals .in der Regel begnügen mufste, die Mittel,
um nach Madrid zu reifen. Sein grofser Landsmann Velazquez nahm fich hier
feiner an, verfchaffte ihm die Gelegenheit, die Meifterwerke Tizians, Rubens’, Van
Dyck’s und Riberas in den königlichen Schlöffern zu copiren und beeinflufste ihn
natürlich vor allen Dingen felbft durch feine eigene, freie und grofsartige Technik.
Velazquez, Ribera, Tizian, Rubens und van Dyck find in diefem Sinne daher
als die eigentlichen Lehrer Murillos anzufehen. Im Jahre 1645 kehrte er, von
• Grund aus verändert nach Sevilla zurück. Hier wurden ihm nun fofort gröfsere
Aufträge zu Theil. Der innere Ernft und die frifche Kraft, womit er fie ausführte,
fetzten feine Landsleute in Erftaunen. Sein Ruf war fofort begründet; und
wenn fein Stil, durch die übermächtige Erinnerung an jene grofsen Meifter,
die in Madrid auf ihn eingewirkt hatten, auch anfangs noch etwas fchwankend
und zugleich durch die Anftrengungen, die er machte, um felbftändig zu werden,
etwas rauh erfchien, fo fand er jetzt doch bald fein eigenftes Selbft; fein anda-
lufifcher Genius verfchmolz alle jene Erinnerungen mit feinen eigenen Offen-
. barungen zu dem neuen, nur Murillo eigenthümlichen Stile, den wir in feinen
sm. verfchiedenen Entwickelungsphafen fchon charakterifirt haben. Im Jahre 1648
hatte der dreifsigjährige Meifter es fo weit gebracht, dafs er feinen eigenen
Seine Ehe. Haushalt gründen konnte. Er verheirathete fich mit Dona Beatriz de Cabrera
y Sotomayor und blieb als guter Sevillaner bis an fein Ende in feiner Vater-
Seine Er- ftadt anfäffig. Im jähre 1660 wurde hier die Akademie gegründet, deren
nennung zum o j .
Director der Vorfitzender und Director Murillo wurde. Einige Jahre fpäter berief Karl II.
Akademie . . ° e
von Sevilla, ihn an den Hof zu Madrid. Aus Liebe zur Unabhängigkeit und zu Sevilla
aber lehnte der Meifter diefe Berufung ab. Selbft auswärts gearbeitet fcheint
er kaum zu haben, bis er zu Anfang des Jahres 1682 einem Rufe nach der
Seine Reife benachbarten Hafenftadt Cadiz, für welche er fchon früher gemalt hatte, folgte,
nach Cadiz. . °
um das Altarblatt der dortigen Kapuzinerkirche am Orte felbft auszuführen.
Hier ftiefs ihm bei der Arbeit ein Unfall zu. Es heifst, er fei vom Gerüfte
gefallen.2) Ohne das Gemälde ganz vollendet zu haben, kehrte er heim. Sichtbar
1) Vgl. oben S. 254. Von einer unmittelbaren und dauernden Beeinfluffung durch Moya felbft
kann dabei keine Rede fein.
2) Stirling, a. a. O. p. 887, Anm. 2., glaubt eher, dafs Murillo das Bild, wie alle übrigen, in
Sevilla gemalt habe und dafs ihm hier, in feinem eigenen Atelier, der Unfall zugeftofsen fei. Doch
irrt Stirling, wenn er fagt, Cean Bermudez berichtete nicht, dafs der Unfall fich in Cadiz ereignet
habe. Siehe Bermudez a. a. O. p. 54.
Sechstes Buch. Zweiter Abfchnitt.
Seine Reife
nachMadrid.
Seine
Rückkehr
nach Sevilla.
an; und von ihnen aus hat der »estilo vaporoso« fich auch anderen feiner
fpäteren Schöpfungen mitgetheilt.
^eben”5 Bartolome Esteban Murillo wurde am i. Januar 1618 zu Sevilla getauft.
Da es damals Sitte war, die Kinder am Tage nach ihrer Geburt zu taufen,
Lthrner. er wahrfcheinlich am 31. December 1617 geboren. Sein Lehrer war
Juan del Castillo (oben S. 53). So lange er nur durch diefen beeinflufst war,
vermochte er nicht, fich über deffen trockene und harte Vortragsweife zu er-
Entw^kiung. heben. Erft als Pedro de Moya (oben S. 254) nach van Dycks Tode im Jahre
1642 nach Sevilla zurückkehrte und dort mit feinen freieren, weicheren Werken
Auffehen erregte, foll Murillo zu der Einficht gekommen fein, wie weit entfernt
er davon fei, den Anfprüchen der Zeit an eine wirklich malerifche Vortragsweife
zu genügen {). Rafch entfchloffen, erwarb er fich durch einige jener billigeren
Arbeiten, mit denen er fich damals .in der Regel begnügen mufste, die Mittel,
um nach Madrid zu reifen. Sein grofser Landsmann Velazquez nahm fich hier
feiner an, verfchaffte ihm die Gelegenheit, die Meifterwerke Tizians, Rubens’, Van
Dyck’s und Riberas in den königlichen Schlöffern zu copiren und beeinflufste ihn
natürlich vor allen Dingen felbft durch feine eigene, freie und grofsartige Technik.
Velazquez, Ribera, Tizian, Rubens und van Dyck find in diefem Sinne daher
als die eigentlichen Lehrer Murillos anzufehen. Im Jahre 1645 kehrte er, von
• Grund aus verändert nach Sevilla zurück. Hier wurden ihm nun fofort gröfsere
Aufträge zu Theil. Der innere Ernft und die frifche Kraft, womit er fie ausführte,
fetzten feine Landsleute in Erftaunen. Sein Ruf war fofort begründet; und
wenn fein Stil, durch die übermächtige Erinnerung an jene grofsen Meifter,
die in Madrid auf ihn eingewirkt hatten, auch anfangs noch etwas fchwankend
und zugleich durch die Anftrengungen, die er machte, um felbftändig zu werden,
etwas rauh erfchien, fo fand er jetzt doch bald fein eigenftes Selbft; fein anda-
lufifcher Genius verfchmolz alle jene Erinnerungen mit feinen eigenen Offen-
. barungen zu dem neuen, nur Murillo eigenthümlichen Stile, den wir in feinen
sm. verfchiedenen Entwickelungsphafen fchon charakterifirt haben. Im Jahre 1648
hatte der dreifsigjährige Meifter es fo weit gebracht, dafs er feinen eigenen
Seine Ehe. Haushalt gründen konnte. Er verheirathete fich mit Dona Beatriz de Cabrera
y Sotomayor und blieb als guter Sevillaner bis an fein Ende in feiner Vater-
Seine Er- ftadt anfäffig. Im jähre 1660 wurde hier die Akademie gegründet, deren
nennung zum o j .
Director der Vorfitzender und Director Murillo wurde. Einige Jahre fpäter berief Karl II.
Akademie . . ° e
von Sevilla, ihn an den Hof zu Madrid. Aus Liebe zur Unabhängigkeit und zu Sevilla
aber lehnte der Meifter diefe Berufung ab. Selbft auswärts gearbeitet fcheint
er kaum zu haben, bis er zu Anfang des Jahres 1682 einem Rufe nach der
Seine Reife benachbarten Hafenftadt Cadiz, für welche er fchon früher gemalt hatte, folgte,
nach Cadiz. . °
um das Altarblatt der dortigen Kapuzinerkirche am Orte felbft auszuführen.
Hier ftiefs ihm bei der Arbeit ein Unfall zu. Es heifst, er fei vom Gerüfte
gefallen.2) Ohne das Gemälde ganz vollendet zu haben, kehrte er heim. Sichtbar
1) Vgl. oben S. 254. Von einer unmittelbaren und dauernden Beeinfluffung durch Moya felbft
kann dabei keine Rede fein.
2) Stirling, a. a. O. p. 887, Anm. 2., glaubt eher, dafs Murillo das Bild, wie alle übrigen, in
Sevilla gemalt habe und dafs ihm hier, in feinem eigenen Atelier, der Unfall zugeftofsen fei. Doch
irrt Stirling, wenn er fagt, Cean Bermudez berichtete nicht, dafs der Unfall fich in Cadiz ereignet
habe. Siehe Bermudez a. a. O. p. 54.