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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0300
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Sechstes Buch. Zweiter Abfchnitt.

Knaben den Grindkopf reinigt, bildet die Mitte des Bildes. Vornehme Frauen
gehn ihr zur Hand. Armes, elendes Volk wartet, bis es an die Reihe kommt.
Diefes technifch meifterhaft ausgeführte Bild packt zuerft durch feinen grofsartigen
Realismus, der auch vor unfchönen Einzelheiten nicht zurückfchreckt, dann aber
durch den Adel feiner Compofition und vor allen Dingen durch die vornehme
geiflige Stimmung, die Murillo hier, von dem ganzen Zauber feiner ruhigen
Farbenharmonie unterftützt, über die fchlichte, ja an fich unäfthetifche Handlung
kleinere auszubreiten verbanden hat. Aufserdem befinden fich drei kleinere Altarbilder
Bilder m der
»Caridad«. noch heute in der »Caridad« felbft.
In den folgenden Jahren, bis 1676 >), entftanden dann Murillos wunderbar
Der Buder- herrliche Gemälde in dem Kapuzinerklofter von Sevilla. Es waren zwanzig-
cyklus des 1 ö
Kapuziner- und einige Bilder, welche fich bis zum Einfall der Franzofen im fahre 1810
Sevilla, an ihrem ursprünglichen Platze befanden, dann nach ihrer Rückkehr von Gi-
braltar, wohin fie geflüchtet worden waren, verfchiedene Schickfale hatten.
Neunzehn Heute laffen fich neunzehn von ihnen wieder nachweifen, fiebzehn im Mufeum
von ihnen
nachweisbar: von Sevilla, deffen Hauptruhm fie ausmachen; denn gerade unter diefen fiebzehn
Bildern befinden fich eine Reihe der Schöpfungen Murillos, an welche wir
zuerft denken, wenn wir uns die Gluth der Glaubensinbrunft, die finnliche
Ueppigkeit der religiöfen Myftik und das duftige Helldunkel der Himmels-
erfcheinungen, welche ihm zu Gebote ftanden, vergegenwärtigen. Der Schutz-
eins in der engel, welcher ein Kind an der Hand führt, jetzt in der Kathedrale zu Sevilla,
zu Sevilla, und »die Porciuncula«, d. h. die Darftellung des am Altar knieenden heil. F'ran-
ciscus, dem der Heiland und feine Mutter erfcheinen, während Engel Rofen
eins in Pau, auf ihn herabftreuen, jetzt im Befitze der Erben des Infanten Don Sebaftian
zu Pau, find die beiden Bilder diefes Cyklus, welche man aufserhalb des Mufeums
fiebzehn im von Sevifla auffuchen mufs. Bei den fiebzehn Bildern diefer Sammlung, welche
SeviHa: aus dem Kapuzinerklofter flammen, müffen wir noch einen Augenblick ver-
weilen. Hinter dem Hochaltar der Kloflerkirche befand fich die fchöne, auf dem
Halbmond flehende, verklärt gen Himmel blickende Jungfrau, zu deren Füfsen fich
die erfte ejn befonders reiches Spiel von Englein entfaltet. Einer derfelben führt einen
Conception -U ö
diefer Reihe, Palmenzweig, zwei halten einen runden Spiegel, ein vierter trägt Rofen, andere
fpielen mit einem Schleier. Wie flets in den »Conceptionen«, trägt die Jungfrau
hier einen blauen Mantel über lichtweifsem Gewände. Von den Bildern, aus
denen der Retablo des Hochaltars zufammengefetzt war — das Mittelftück
war das fchon erwähnte Porciuncula-Bild — zeichnen fich noch die Darfleilungen
■Täufer1" ^es Täufers in der Wüfle und des hl. Jofeph mit dem Chriflusknaben aus
djofehpeh' Unter den acht grofsen Altarblättern, welche das Hauptfchiff der Kirche
die zweite fchmückten, gehören die Darftellungen der zweiten »Concepcion« mit dem
Conception, ö 0
die Verkün-Drachen zu Füfsen der Jungfrau, der Verkündigung, der Pietas und der An-
die Pietäs, betung der Hirten, fo charakteriflifch und anziehend auch fie find, doch eben
der Hirtenf nicht zu den packendften Leiftungen des Meiflers. Im höchflen Grade aber
der hl. An- feffeln uns die vier anderen. Die Darftellung des an feinem Betpulte
tomus mit . 0 . ,
dem chrift- knieenden hl. Antonius, welcher mit dem linken Arm in fchwärmerifcher Diebe
kmde. .. i • 1 1
das Jefusknäblein umarmt, das fich aus dem oben jubelnden Engelreigen nerab-

l) Curtis a. a. O. p. 124—125.
 
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