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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0374
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ßÖ2 Sechstes Buch. Dritter Abfchnitt.
Jugend Brunx\ Er war den 24. Februar 1619 zu Paris geboren. Der Kanzler Pierre
Seguier entdeckte das Talent des Knaben und nahm fich feiner an. Erft liefs
er ihn in feinem Haufe wohnen und fchickte ihn in Simon Vouets Schule; dann
bewilligte er ihm ein Stipendium von 200 Thalern jährlich und fandte ihn nach
Seine Reifen. Rom. Am 5. November 1642 traf der früh gereifte, 23jährige junge Meifter
hier ein. Eng fchlofs er fich zunächft an N. Pouffin an. Mit wiffenfchaftlichem
und künftlerifchem Feuereifer zeichnete er alle antiken Statuen und Geräthe,
deren er habhaft werden konnte. Das archäologifche Intereffe fchien manchmal
fogar feine Freude am Schönen in den Schatten zu ftellen1 2). Fleifsig und
Seme ehrgeizig, wie er war, liefs er keinen Augenblick unbenutzt. Als er nach vier-
nach Paris, jährigem Aufenthalte in der ewigen Stadt 1646 nach Paris zurückkehrte, wurden
ihm hier fofort ehrenvolle Aufträge zu Theil; und er felbft betrieb bald nachher
die Gründung der Akademie. Dafs diefe am 1. Februar 1648 eröffnet wurde,
wiffen wir bereits. So lange die Ehrenämter nach ihrer Verfaffung wechfelten,
Le Bmn als war Lebrun abwechfelnd Profeffor, Rector, Kanzler. Als 1668 die Aemter des
Kanzlers und Rectors vereinigt und lebenslänglich gemacht wurden, wurden
fie ihm übertragen. Das höchfte Amt eines Directors der Akademie aber,
welches er factifch, da feine Vorgänger mit .anderen Dingen befchäftigt waren,
fchon feit 1655 verwaltet hatte, bekleidete er formell erft feit 1683. Zum
Premier - Peintre du Roi war er fchon 1662 ernannt worden. Die Glanzzeit
feines Schaffens war die Verwaltungsperiode feines Freundes, des Miniflers
Colbert. Als 1683 Louvois, der Freund Mignards, an Colberts Stelle trat,
fing Le Bruns Stern , trotz der fortdauernden Gunft des Königs an, etwas zu
verbleichen. Mifsmuthig zog er fich in feine Wohnung bei der Gobelinsfabrik,
Sein Ende, deren Director er war, zurück, und hier ftarb er am 12. Februar 1690.
Seine viel- Charles le Brun war ein vielfeitig und reich veranlagter Künftler; und
leitigkeit. 0 ö
Hand in Hand mit feiner Begabung ging eine erftaunliche Schaffenskraft. Eine
Zeit lang zeichnete er nicht nur die Entwürfe für alle grofsen Gemälde, welche
Seine jn den königlichen Schlößern ausgeführt wurden, fondern lieferte auch die
Bedeutung 0 0
fürs Kunft- Zeichnungen für Statuen und Rahmen, für Mobilien und kunftgewerbliche Gegen-
Hände jeder Art3). Er drückte dem ganzen Kunftfchaffen der Epoche den
Stempel feines Geiftes auf; und ein geiftvoller Künftler war er wirklich in feiner
Art, wenn fein Geift unferem Gefchmacke auch nicht fonderlich entfpricht: es
ift der echt gallifche Geift der äußerlichen Wirkfamkeit, der kalten Pracht, der
per Stil abfichtlichen Lebendigkeit. Die charakteriftifchften und intereffanteften feiner
Gemälde. Gemälde find diejenigen, in denen er fchwungvolle Kraft, theatralifche Beweg-
lichkeit und decorative Ueppigkeit mit archäologifcher Gelehrfamkeit oder
allegorifcher Gedankenhaftigkeit gepaart zur Schau ftellen konnte. Individuelle
1) Das befte und zuverläffigfte, was über ihn gefchrieben worden, ja, die Quelle aller fpäteren
Arbeiten über ihn, ift das »Memoire hiftorique des principaux ouvrages de Charles le Brun« von
Guillet de St. Georges, drei Jahre nach des Meifters Tode, 1693 an der Akademie vorgelefen, ver-
öffentlicht in den Memoires inedits a. a. O. I, p. 1—72. — Dazu A. Genevay, Le style Louis IV.
Charles Lebrun, Paris 1886.
2) Vgl. feinen Bericht aus Rom an den Kanzler Seguier, veröffentlicht in den Archives de l’Art
Frangais, I, p. 54—60.
3) Vgl. Genevay, Charles le Brun et son influence sur l’art decoratif in L’Art 1878 II.
p. 3 bis 1884 II, p. 41 ff.
 
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