Die franzöfifche Malerei des 17. Jahrhunderts. E. Die Schule Vouets und die Akademie. 371
kam er nach Paris, wo nach einiger Zeit Lebrun fich feiner annahm. Vierund-
zwanzigjährig malte er das »Maibild« für die Goldfchmiede. Mit einundclreifsig
Jahren wurde er Mitglied der Akademie. Bald darauf wurden ihm grofse
decorative Aufgaben gefleht. Im Jahre 1696 malte er »die Rechtfprechung Deckennbiid
im Schutze der Religion« an die Decke eines Saales des Juftizpalaftes zuin Rennes-
Rennes, ein gewaltiges Werk, welches er felbft nicht übertroffen hat '). Im
folgenden Jahre entftand feine faft an Rubens’fche Kraft erinnernde grofse Seine
Kreuzesabnahme, die jetzt im Louvre zu Paris bewundert wird; 1702 malte nähme im
er im Auftrage Ludwigs XIV. das Deckengemälde der Apotheofe der Apoftel Sein
in der Invalidenkirche zu Paris; 1703 —1706 führte er die vier grofsen Gemälde im Invaliden-
für die Kirche Saint-Martin-des-champs zu Paris aus, welche fich jetzt im Louvre Bilder im
befinden. Sie ftellen den wunderbaren Fifchzug, die Auferweckung des Lazarus, Louvre’
die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und das Mahl bei Simon dem
Pharifäer dar und gehören zu Jouvenets reifften und gediegenften Leiftungen.
Im Jahre 1709 malte er felbftändig im Schlöffe zu Verfalles, an cleffen Aus-in verfaiiies,
fchmückung er fich fchon in feiner Jugend unter Le Bruns Leitung betheiligt
hatte. Nachdem feine rechte Hand 1713 durch einen Schlaganfall gelähmt
worden war, malte er während der letzten Jahre feines Lebens mit der linken.
Was er auf diefe Weife noch zu leiften vermochte, zeigt z. B. feine Begegnung mD^tere"
der Frauen im Chor der Kirche Notre Dame zu Paris.
Wir müffen uns daran genügen laffen, diefe wenigen Werke aus der Fülle,
die er gefchaffen hat, hervorgehoben zu haben. Der Louvre befitzt zwölf, das im Louvre,
Mufeum feiner Vaterfladt Rouen nicht weniger als fünfundzwanzig Gemälde in R°uen.
feiner Hand, von denen jedoch keins die Bedeutung feiner bellen Louvre-Bilder
erreicht. Auch in den übrigen franzöfifchen Provinzialmufeen ift er gut vertreten.
Aufserhalb Frankreichs find feine Bilder dagegen von der gröfsten Seltenheit.
Da er feine wichtigeren Werke alle bezeichnet und datirt hat, fo kann man
feine Entwicklungsgefchichte recht gut verfolgen. Er ging von der Nach-
ahmung Pouffins aus, erkannte aber fpäter, wie er felbft ausfprach, dafs es mit Sein Stil,
der Nachahmung anderer Meifter nicht gethan fei, und fuchte fich, freilich doch
durch eklektifches Studium, ähnlich wie hundert Jahre früher die Carracci in
Italien es gethan hatten, einen neuen, eigenen Stil zu fchaffen. Kraft und
Grofse der Linienführung, Vertheilung des Lichts und des Schattens in grofsen
wirkungsvollen Mafsen, tiefe, warme, wenn auch nach unterem Gefchmacke
etwas zu braune Harmonie der Färbung find die Haupteigenfchaften der Ge-
mälde feiner beften Zeit. Den Namen des franzöfifchen Carracci führt er mit
gröfserem Recht, als manche andere Meifter die Vergleichsnamen führen, mit
denen Mit- oder Nachwelt fie bedacht haben.
Eine bekannte franzöfifche Künftlerfamilie des 17. Jahrhunderts und der Die
Uebergangszeit ins achtzehnte waren auch die Boulogne. Der Stifter diefer B°
Künftlerfamilie, Louis Boulogne d. Ä., geboren zu Paris 1609, geftorben dafelbft Louis Boa1-
° logne d. A.
1674, hatte 1648 zu den zwölf Gründern der Akademie gehört. Wenngleich
er Fresken im Louvre und in Verfaiiies malte und »Peintre du roi« war, hat
die Nachwelt feine Werke nicht fonderlich in Ehren gehalten. Sein Sohn und
1) Vgl. Clemens de Äts, Les Mufees de Province, Paris 1872, p. 368 und 388.
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kam er nach Paris, wo nach einiger Zeit Lebrun fich feiner annahm. Vierund-
zwanzigjährig malte er das »Maibild« für die Goldfchmiede. Mit einundclreifsig
Jahren wurde er Mitglied der Akademie. Bald darauf wurden ihm grofse
decorative Aufgaben gefleht. Im Jahre 1696 malte er »die Rechtfprechung Deckennbiid
im Schutze der Religion« an die Decke eines Saales des Juftizpalaftes zuin Rennes-
Rennes, ein gewaltiges Werk, welches er felbft nicht übertroffen hat '). Im
folgenden Jahre entftand feine faft an Rubens’fche Kraft erinnernde grofse Seine
Kreuzesabnahme, die jetzt im Louvre zu Paris bewundert wird; 1702 malte nähme im
er im Auftrage Ludwigs XIV. das Deckengemälde der Apotheofe der Apoftel Sein
in der Invalidenkirche zu Paris; 1703 —1706 führte er die vier grofsen Gemälde im Invaliden-
für die Kirche Saint-Martin-des-champs zu Paris aus, welche fich jetzt im Louvre Bilder im
befinden. Sie ftellen den wunderbaren Fifchzug, die Auferweckung des Lazarus, Louvre’
die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und das Mahl bei Simon dem
Pharifäer dar und gehören zu Jouvenets reifften und gediegenften Leiftungen.
Im Jahre 1709 malte er felbftändig im Schlöffe zu Verfalles, an cleffen Aus-in verfaiiies,
fchmückung er fich fchon in feiner Jugend unter Le Bruns Leitung betheiligt
hatte. Nachdem feine rechte Hand 1713 durch einen Schlaganfall gelähmt
worden war, malte er während der letzten Jahre feines Lebens mit der linken.
Was er auf diefe Weife noch zu leiften vermochte, zeigt z. B. feine Begegnung mD^tere"
der Frauen im Chor der Kirche Notre Dame zu Paris.
Wir müffen uns daran genügen laffen, diefe wenigen Werke aus der Fülle,
die er gefchaffen hat, hervorgehoben zu haben. Der Louvre befitzt zwölf, das im Louvre,
Mufeum feiner Vaterfladt Rouen nicht weniger als fünfundzwanzig Gemälde in R°uen.
feiner Hand, von denen jedoch keins die Bedeutung feiner bellen Louvre-Bilder
erreicht. Auch in den übrigen franzöfifchen Provinzialmufeen ift er gut vertreten.
Aufserhalb Frankreichs find feine Bilder dagegen von der gröfsten Seltenheit.
Da er feine wichtigeren Werke alle bezeichnet und datirt hat, fo kann man
feine Entwicklungsgefchichte recht gut verfolgen. Er ging von der Nach-
ahmung Pouffins aus, erkannte aber fpäter, wie er felbft ausfprach, dafs es mit Sein Stil,
der Nachahmung anderer Meifter nicht gethan fei, und fuchte fich, freilich doch
durch eklektifches Studium, ähnlich wie hundert Jahre früher die Carracci in
Italien es gethan hatten, einen neuen, eigenen Stil zu fchaffen. Kraft und
Grofse der Linienführung, Vertheilung des Lichts und des Schattens in grofsen
wirkungsvollen Mafsen, tiefe, warme, wenn auch nach unterem Gefchmacke
etwas zu braune Harmonie der Färbung find die Haupteigenfchaften der Ge-
mälde feiner beften Zeit. Den Namen des franzöfifchen Carracci führt er mit
gröfserem Recht, als manche andere Meifter die Vergleichsnamen führen, mit
denen Mit- oder Nachwelt fie bedacht haben.
Eine bekannte franzöfifche Künftlerfamilie des 17. Jahrhunderts und der Die
Uebergangszeit ins achtzehnte waren auch die Boulogne. Der Stifter diefer B°
Künftlerfamilie, Louis Boulogne d. Ä., geboren zu Paris 1609, geftorben dafelbft Louis Boa1-
° logne d. A.
1674, hatte 1648 zu den zwölf Gründern der Akademie gehört. Wenngleich
er Fresken im Louvre und in Verfaiiies malte und »Peintre du roi« war, hat
die Nachwelt feine Werke nicht fonderlich in Ehren gehalten. Sein Sohn und
1) Vgl. Clemens de Äts, Les Mufees de Province, Paris 1872, p. 368 und 388.
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