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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0384
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Sechstes Buch. Dritter Abfchnitt,

372
Bouioane Schüler Bon Boulogne hingegen, welcher 1649 in Paris geboren war, feine
Studien in Italien vollendete, 1677 Mitglied der Akademie wurde und 1717
ftarb, hat feine Stellung als Maler und Stecher auch vor der Nachwelt zu
behaupten verftanden. Sein akademifches Receptionsbild, Herkules im Kampfe
mit den Kentauren, befindet fich im Louvre, welcher aufserdem noch eine
»Verkündigung« und die Darftellung eines Wunders des hl. Benedict von feiner
Hand befitzt. In der Petersburger Eremitage tragen nicht weniger als fünf
Bilder feinen Namen. Die heften Fresken feiner Hand fieht man in den
Kapellen St. Jerome und St. Ambroife der Invalidenkirche zu Paris. Seine
Gemälde find glatt und correct in der Zeichnung, lebhaft in der Färbung, aber
fo fern von jeder Eigenart, dafs man nach einander die Hand verfchiedener
Zeitgenoffen in ihnen zu erkennen glaubt; kurz, fie find »akademifch« in jedem
Sinne des Wortes. »Boulogne l’aine« nannte Bon Boulogne fich im Gegenfatze
Louis Bou-zu feinem Bruder, Lottis Boulogne d. J., welcher 16^4 zu Paris geboren war
und 1733 ') dafelbft ftarb. Er hielt fich lange unter Errards Leitung in Rom
auf, kehrte 1680 nach Frankreich zurück, wurde 1681 Akademiker, 1723
Director der Akademie und 1725 »Premier-peintre du roi«. In der Invaliden-
kirche malte er die Kapelle des hl. Auguftin; zahlreich waren die Decorations-
gemälde, welche er für die »Hotels« der vornehmen Welt in Paris fchuf;
zweimal übertrugen ihm die Goldfchmiede, ihr »Maibild« für Notre-Dame zu
malen. Er ift womöglich noch eklektifcher geftimmt, als fein Bruder, ftrebt
aber mehr darnach, die künftlerifchen Eigenfchaften der verfchiedenen grofsen
Italiener zu einer eigenen Manier zu verarbeiten, welche derjenigen feines
Bruders an akademifcher Annehmbarkeit nichts nachgiebt.
Ein Schüler Bon Boulogne’s war Jean Baptiße Santerre, geboren zu
Magny bei Pontoise 1650, geftorben zu Paris 1717. Akademiker wurde er
1704; fein Receptionsbild, »Sufanna im Bade« befindet fich im Louvre. Im
Uebrigen warf er fich, nachdem er vergebens verflicht, Bildnifsmaler zu werden,
auf die Darftellung frei erfundener und frei gekleideter weiblicher Halbfiguren, wie
man ihnen z. B. im Louvre und in der Eremitage zu St. Petersburg begegnet.
Die eigent- An eigentlichen Bildni fsmaler n fehlt es in diefer Reihe übrigens
liehen Bild- ö
nifsmaier. keineswegs. Sowohl ein Schüler Le Sueurs als Le Bruns war Claude de Fevre,
Claude ö
de Fevre, welcher 1633 zu Fontainebleau geboren war und 1675 in Paris (nach Anderen
in London) ftarb. Er war einer der gefchätzteften Bildnifsmaler feiner Zeit.
Bei feiner Aufnahme in die Akademie (1663) malte er das Porträt Colberts.
Was er in feinem Fache leiftete, zeigt am anziehendften fein Louvre-Bild, welches
einen Lehrer darftellt, der mit feinem Schüler fpazieren geht (Fig. 517). Es ift
ein lebensgrofses Knieftück. Die Formengebung in den Körpern, der Falten-
wurf der Gewänder, felbft die Behandlung der Hände flehen allerdings nicht auf
der höchften Höhe der technifchen Meifterfchaft, welche jener Zeit zur Verfügung
ftand; aber das Bild ift doch frifch und breit gemalt, und die Köpfe des
docirenden Alten und des laufchenden Jungen find fo fprechend durchgeführt,
die Situation ift fo lebendig veranfchaulicht, dafs das Bild ftets feine Geltung
bewahren wird.

1) A. Jal, a. a. O., p. 267.
 
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