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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0433
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Die vlämifche Malerei des 17. Jahrhunderts. B. Peter Paul Rubens. 421
entfteigen auch hier die Todten ihren Gräbern und fchweben die Seligen,
einander liebevoll mit emporziehend, zur Rechten des Weltrichters empor.
Rechts gähnt auch hier der Schlund der Hölle, in welchen die Verdammten in
wilden Knäueln hinabgeftürzt werden. Aber die Gruppen find malerifcher
zufammengefafst, und Chriftus, feine Mutter und die Heiligen des Himmels find,
den neuen, mehr malerifchen, als plaftifchen Stilgefetzen entfprechend, per-
fpektivifch bedeutend verkleinert und, von duftigem Lichtglanz umgeben, auch
ihrer Farbe nach deutlich in gröfsere Ferne gerückt. Rubens’ Kraft, gewaltige
Maffen menfchlicher Leiber nicht nur zeichnerifch, fondern auch malerifch-
coloriftifch zu beherrfchen, zeigt fich fchon hier erftaunlich genug, wenngleich
er gerade in diefer Beziehung in ähnlichen fpäteren Werken noch bedeutende
Fortfehritte gemacht hat. — Um 1618 trat Rubens auch in den Dienft der Werke um
Teppichwirkerei. Er fchuf für die Brüffeler Teppichfabrik feine pathetifchen
und lebensvollen Entwürfe zu Darftellungen aus der Gefchichte des Confuls Die Darftei-
Decius Mus, von denen zwei in der Münchener Pinakothek erhalten find, dem Leben
während fich fechs der gewaltigen, decorativ und geiftig gleich bedeutenden DeciuVMus.
Compofitionen in überlebensgrofser Ausführung in der Galerie Liechtenftein zu
Wien befinden *)• Liefe letzteren find unzweifelhaft unter der Mitwirkung von
Schülerhänden entftanden1 2); aber es erfcheint uns ebenfo unzweifelhaft, dafs
Rubens fie wenigftens zum Theil eigenhändig übergangen hat. Dem Jahre 1618
o-ehören der »Fifchzug- Petri« in der Liebfrauenkirche zu Mecheln, die »Ver- Bilder
ö . . in Mecheln,
ftofsung der Hagar«, die Rubens felbft als »vero originale« bezeichnete, beim in London
Duke of Weftminfter in London, die fchönen, energifchen Bildniffe des Jean-Weftminfter),
Charles des Cordes und feiner Gemahlin im Brüffeler Mufeum und, wenn fie ;n Brüffei.
nicht fchon früher entftanden, auch die von wilder Kampfesleidenfchaft durch-
glühte , von unbefchreiblich grofsartigen und lebenskräftigen Thiergeftalten Die »Löwen-
erfüllte »Löwenjagd« in der Münchener Pinakothek (Fig. 524) an. München.
Man fieht, dafs Rubens fchon jetzt die verfchiedenartigften Gebiete, die
unter gewöhnlichen Verhältniffen zu Sonderfächern verfchiedener Meifler werden,
mit gleicher Leichtigkeit und gleichem Feuer beherrfchte. Im Jahre 1619
entftanden dann wieder fo verfchiedenartige Darftellungen, wie die packende Bilder von
»Communion des hl. Franziscus« im Antwerpener Mufeum, wie der mächtig Antwerpen,
einheitlichem Zuge in der Maffenbehandlung folgende »Engelfturz« in der
Münchener Pinakothek und die unbefchreiblich lebensvolle und farbenfehöne in München.
»Amazonenfchlacht« in derfelben Sammlung. Es ift das alte Tizian’fche Motiv Die
eines Kampfes auf der Brücke, welches Rubens in diefem letzteren Bilde mit fchiacht«,
überfprudelndem inneren und äufseren Leben neu geftaltet hat. Ein Schlacht-
gewühl zu Fufs und zu Rofs ift nie vorher und nie nachher fo wild und zu-
gleich fo klar, fo anfchaulich und zugleich fo malerifch reizvoll gefchildert
worden, wie in diefem kleinen Bilde. Im nächften Jahre (1620) entftand dann
wahrfcheinlich wieder eines der grofsartigften Porträtftücke des Meifters, das Bilder von
koftbare Bild der Münchener Pinakothek, welches in prächtigfter Anordnung München,
1) Vgl. Goeler von Ravensburg: Rubens und die Antike, S. 176 ff.
2) Nach einem Zeugnifs fcheint es, als hätte kein Geringerer, als van Dijck einen iolchen Haupt-
antheil an ihrer Ausführung, dafs man fie im Wefentlichen als fein Werk anfehen müfste. Vgl.
F. J. v. d. Branden a. a. O., p. 702, Anm. 1.
 
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