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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0476
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Seine Ent-
wicklung.

Die Thier-
maler der
Genoffen-
fchaft des
Rubens.

Der Stil
feiner
Stillleben.

Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

weniger darum zu thun, Schüler zu bilden, als den Beftellungen, mit denen er
überhäuft war, zu genügen; er fuchte Gehilfen, keine Lehrlinge. Tritt diefes
fchon bei den Figurenmalern hervor, die als feine Schüler gelten und, da fie
in feiner Werkftatt ganz in feine Fufstapfen treten lernten, auch zu gelten
haben, fo ift es noch unverkennbarer bei den Thier- und Landfchaftsmalern, die
er in feinen Dienft nahm.
Sehen wir uns unter feinen Mitarbeitern nach den Thiermalern um, fo tritt
uns hier zunächft ein ausgezeichneter Künfller entgegen, der ebenfowohl durch
feine frifche, vertrauenerweckende Perfönlichkeit, die uns aus verfchiedenen
Gemälden und Radirungen von und nach van Dyck fo lebendig entgegentritt,
als durch feine Werke eine bedeutende Rolle im Antwerpener Kunftleben feiner
Snyders. Tage fpielte. Diefer Meifter war Franz Snyders. Im November 1579 zu Ant-
werpen geboren, war er nur zwei Jahre jünger als Rubens. Seine Lehrer waren
Sein Leben. Peter Brueghel d. J. und Hendrik van Baien. Freimeifter der Lucasgilde war
er fchon 1602. Dann aber ging er nach Italien, von wo er ungefähr gleich-
zeitig mit Rubens, an den er fich nun eng anfchlofs, wieder heimkehrte. Im
Frühling 1609 war er wieder in Antwerpen; und hier lebte er, vielbefchäftigt
und allgemein beliebt, in bellen Einvernehmen mit feinen Fachgenoffen, bis
der Tod ihn am 19. Auguft 1657 von längeren Leiden befreite.
Franz Snyders ging vom Stilleben aus. Seine Eltern hatten eine berühmte
Speifewirthfchaft. Hier lernte er früh das todte Wild, das Geflügel, die Hummer
und andere Leckerbiffen, die Früchte und Gemüfe, die er fo meifterhaft dar-
zuftellen verftand, von ihrer malerifchen Seite zu betrachten. Mit wenigen
Ausnahmen (teilte er diefe Dinge von Anfang an in ihrer natürlichen Gröfse
dar; und dementsprechend führte er fie mit breitem Pinfel realiftifch durch.
Vortrefflich verlieht er es, dem bunten Gefieder der Vögel ihren eigentüm-
lichen Federglanz, dem Felle der Thiere ihren ftofflich-haarigen Charakter, den
Trauben und anderen Früchten zugleich ihre durchfcheinende Leuchtkraft und
ihren duftigen Reifeftaub zu laffen, nicht minder vortrefflich gelang ihm die
malerifche Zufammenftellung folcher fchönen Sachen zu grofsen, mächtig-
decorativen und reizvoll malerifchen Gruppen, denen der Händler und die
Käuferin oder der Koch und die Köchin, als lebensgrosse Gewalten hinter den
aufgefpeicherten Delicateffen hervorblickend, von der Hand befreundeter Figuren-
maler, wie Jan Bockhorft oder Rubens felbft oder einer der Gefeiten des
Rubens, lebendige Thiere aber, wie die Hunde und Katzen, welche die h leifch-
waaren befchnüffeln oder fich ihretwegen in die Haare gerathen und die Aeft-
chen und bunten Papageyen, die an den Obflbergen fpielen, von feiner eigenen
Hand hinzugefügt wurden. Derartige mächtige »Stilleben« malte er fein ganzes
Leben lang; neben ihnen aber traten in feiner reifften Zeit in holge der An-
regung, die er von Rubens empfing, als feine zweite Hauptgattung riefige
j-ilciftüci e Jagdftücke in den Vordergrund. Bald liefs er den Eber oder anderes Wild
von den Jägern, die dann wieder feine Freunde, die Figurenmaler, hinzufügten,
erreicht und erlegt werden, bald liefs er die wilden Thiere einander verfolgen
oder von Hunden verfolgt und gepackt werden. Die volle dramatifche Kraft,
zeichnerifche Wucht und malerifche Gewalt der ähnlichen Werke des Rubens
erreichte er in feinen Bildern diefer Art freilich niemals; aber er kommt ihnen
 
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