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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0153
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Die holländifche Malerei des 17. Jahrhunderts. C. Die Amfterdamer Schule. 681
Gemälde beläuft fich auf über 350; die Zahl feiner echten radirten Blätter,
nach Abzug der in der That fremden Händen zuzuweifenden •), immer noch Radirungen,
auf gegen 300. Dafs wir auch auf fie im Folgenden ab und zu einen Blick
werfen müffen, verlieht fich von felbft.
Rembrandt Harmensz van Rijn wurde am ij. Juli 16061 2) zu Leiden pe-R7”branA’s
boren. Sein Vater, ein wohlhabender Müller, fchickte ihn anfangs in die IÖ23-
lateinifche Schule, um 1620 jedoch, als des Knaben Begabung für die Malerei r eb®lz”®t
fich herausgeflellt hatte, in die Werkflatt des Jacob van Swanenburgh, eines
ihm verwandten Meillers, der fich wahrfcheinlich, wie Lallman, Moeyaert, die
Pynas u. f. w. in Rom unter Elsheimer gebildet hatte. In drei Jahren voll-
endete Rembrandt, gleichzeitig als immatriculirter Student feine allgemeine
Bildung vervolllländigend, feine erfte künftlerifche Erziehung; dann ging er noch
auf ein halbes Jahr zu Pieter Laftman in Amfterdam (oben S. 666) in die
Lehre. Lallman war nur ein kräftigerer Meiller derfelben Richtung, wie Swanen-
burgh. Wefentliche neue Anfchauungen erhielt Rembrandt damals alfo fchwerlich
in Amfterdam.
Noch 1623 kehrte er nach Leiden zurück. Gründlich, eigenwillig, felbft- RIe^bbernanb^’s
ftändig wie er war, betrachtete er, was er bisher gelernt hatte, nur als die i63j-
Grundlage für feine eigenen weiteren Studien. Er zog fich jetzt ganz auf fich
felbft zurück, fing für fich allein fo zu fagen von vorn wieder an die Natur
zu ftudiren und griff dabei nach dem Einfachften und Nächftgelegenen. Die SLeFdenere
Landfchaft liefs er einftweilen noch bei Seite. Dafür ftudirte er im eigenen Meifterzeit.
Zimmer feines Elternhaufes den Einfall des Sonnenlichtes in den gefchloffenen
Raum und das dadurch entftehende Helldunkel. Sodann verlegte er fich zu-
nächft aufs Zeichnen und Malen einzelner Figuren und Köpfe in kleinem Mafs-
ftabe. Dafs er felbft und feine alte Mutter feine häufigften Modelle waren, ift
erklärlich; manchmal aber geflattete er fich auch, alte Männer, deren Köpfe
ihn durch ihre fcharfe Ausprägung anzogen, als Modelle zu benutzen und zu
heiligen Einfiedlern, Apofteln und dergl. zu verarbeiten. Die frühefte Radirung SR^i™ngfte
feiner Hand trägt die Jahreszahl 1628 und zeigt uns eben den Kopf feiner
alten Mutter. Eins feiner früheften Gemälde, welches fich im Stuttgarter Mufeum GeSmäide
befindet, trägt die Jahreszahl 1627 und ftellt den Apoftel Paulus im Gefängnifs
dar.3) Es ift eine Verwerthung zugleich feiner Greifenmodellftudien und feiner
Binnenraumftudien. Der in tiefem Nachdenken in feiner Zelle fitzende Heiden-
apoftel wird hell von dem links durchs Gitterfenfter einfallenden Sonnenlichte
beftrahlt. Der Vortrag ift noch etwas ängfllich und trocken; der Gefammtton
1) Man vergleiche Louis Gonfe’s Befprechung des Dutuit’fchen Werkes in der Gazette des Beaux
Arts 1885. Engländer und Franzofen (Seymour Kaaen, Middleton, Legros) wollten neuerdings Rem-
brandts Radirwerk fo einfchränken, dafs fchliefslich nur 71 echte Radirungen übrig blieben. Dagegen
befonders Bode und Str ater a. a. O. An diefer Stelle ift es uns unmöglich, auf die verwickelte Frage
näher einzugehen.
2) Neuerdings nahm man, auf Vosmaer’s Ausführungen geftützt, an, Rembrandt’s Geburtsjahr fei
1607; da aber die in Obreens Archief V., p. 271, veröffentlichte Urkunde, laut welcher »Rembrandt
Hermanni Leidenfis 14 jare oud« am 25. Mai 1620 als Student in Leiden immatriculirt wurde, mit
der Angabe Orters, des zuverläffigften Biographen für die Jugendzeit Rembrands, übereinftimmt, fo
mufs man zur Angabe, dafs er 1606 geboren, zurückkehren.
3) Vgl. A. Woltmanns Auffatz in der Zeitfchrift f. b. K. 1874, S. 45 ff.
 
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