Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.
778
Bilder diefer
Art
in Gotha,
in Glasgow,
im
Privatbefitz,
in Dresden,
in St. Peters-
burg
(Semeonow),
in Braun-
fchweig.
Van Goyen’s
voll ent-
wickelter
fpäterer Stil.
befonders in der an die Schule des Hals erinnernden, fetten, paftofen Breite der
Pinfeiführung und in der graugelben Einheitlichkeit des Tones. Doch ging er in
beiden Richtungen weiter, als Pieter Molyn; auch hielt er fich mehr, als diefer, an
feine heimifchen Küften mit ihren fchlichten Bauernhäufern neben einem Zieh-
brunnen, ihren Dünen hinter bufchartigen Bäumen, ihrem grauen Himmel über
der weiten Ebene. Localfarben giebt er jetzt, äbgefehen von blafsgrünen rund-
lichen Tupfen auf der flächenhaften hellbraunen Untermalung feiner Bäume und
den ganz hell- und blafs-farbig erfcheinenden Kleidern feiner Staffagefiguren, über-
haupt nicht mehr: alles ift Ton; aber dem Tone fehlt noch die Zartheit und
Leuchtkraft, der Pinfeiführung die Flüffigkeit und Leichtigkeit feiner letzten
Zeit. Am charakteriftifchften und zugleich am harmonifchften abgefchloffen
zeigen diefen mittleren Stil des Meifters feine Bilder von 1631 bis 1635: die
Dünenlandfchaft von 1631 in der Gothaer Galerie, die Flufslandfchaft mit Bauern-
’ häufern unter Bäumen von 1631 i) in der öffentlichen Sammlung zu Glasgow,
die »Hütten an der Strafse« von 1632, vormals bei Herrn N. L. Lepke in
Berlin, der »Ziehbrunnen unter Bauernhütten« von 1633 in der Dresdener Galerie,
ein ähnliches Bild von demfelben Jahre vormals bei Herrn N. L. Lepke in
Berlin, das Strand- und Dünenbild von 1634 bei Herrn Semeonow in St. Peters-
burg, die »Weidelandfchaft« von 1635 im Braunfchweiger Mufeum.
Um 1640 hat van Goyen fich ganz felbft gefunden, und er bewahrt nun
bis an fein Ende feine feinfühlige, ausgebildete Eigenart. Er hält fich jetzt
vorzugsweife an die Flüffe und breiteren Kanäle feiner Heimat, wie fie fich, zu
beiden Seiten abwechfelnd von Bäumen und Bauernhäufern, Kirchthürmen und
Windmühlen, an anderen Stellen aber auch von ftattlichen Städten und Caftellen
begrenzt, im Sommer von Kirchen und Schiffen, im Winter von zahllofen
Schlittfchuhläufern belebt, mit weichen malerifchen Windungen durch die Ebene
ziehen; doch kehrt er auch wohl einmal zu den Dünenlandfchaften und Dorf-
wegen zurück, die er in feiner früheren Zeit bevorzugte: Vordergrund, Mittel-
grund und Hintergrund pflegen in der Zeichnung und in der Färbung perfpek-
tivifch fcharf gefondert zu fein; die malerifche Behandlung ift ganz frei und
leicht geworden. Breitflüffig wird untermalt, leicht tupfend wird ausgeführt.
Vor allen Dingen aber wird jetzt alles in Ton aufgelöft, alles in den
einheitlichen Schleier einer mit einer befonderen Farbe gefüllten Atmofphäre
gehüllt. Ift diefe «Farbe kühl und grau, fo entfpricht fie dem feuchten Nebelwehn,
welches oft an diefen Küften herrfcht1 2); ift fie gedämpft grau-golden, wie weit
öfter bei van Goyen, fo entfpricht fie auch noch dem Lichte, welches an halbum-
fchleierten Sommertagen durch den Kampf der Sonne mit der Nebelluft erzeugt
wird, ift fie aber wenigftens im Vordergründe tiefbraun, wie am öfteften bei
van Goyen, fo kann fie doch nur bei fpätherbftlichen Darftellungen für natur-
wahr gelten und ift im Uebrigen keineswegs von dem Vorwurf der Manierirt-
heit freizufprechen. Aber die Poefie der über feuchten Niederungen ruhenden
atmofphärifchen Stimmung ift jedenfalls erft durch van Goyen entdeckt worden;
und darin, dafs er diefen Stimmungen einen reizvollen malerifchen Ausdruck
1) Von demselben Jahre ein Bild im Stockholmer Privatbesitz: Granberg a. a. O. N. 7.
2) Vgl. des Verfaffers »Kunft- und Naturfkizzen« I (1880) S. 36.
778
Bilder diefer
Art
in Gotha,
in Glasgow,
im
Privatbefitz,
in Dresden,
in St. Peters-
burg
(Semeonow),
in Braun-
fchweig.
Van Goyen’s
voll ent-
wickelter
fpäterer Stil.
befonders in der an die Schule des Hals erinnernden, fetten, paftofen Breite der
Pinfeiführung und in der graugelben Einheitlichkeit des Tones. Doch ging er in
beiden Richtungen weiter, als Pieter Molyn; auch hielt er fich mehr, als diefer, an
feine heimifchen Küften mit ihren fchlichten Bauernhäufern neben einem Zieh-
brunnen, ihren Dünen hinter bufchartigen Bäumen, ihrem grauen Himmel über
der weiten Ebene. Localfarben giebt er jetzt, äbgefehen von blafsgrünen rund-
lichen Tupfen auf der flächenhaften hellbraunen Untermalung feiner Bäume und
den ganz hell- und blafs-farbig erfcheinenden Kleidern feiner Staffagefiguren, über-
haupt nicht mehr: alles ift Ton; aber dem Tone fehlt noch die Zartheit und
Leuchtkraft, der Pinfeiführung die Flüffigkeit und Leichtigkeit feiner letzten
Zeit. Am charakteriftifchften und zugleich am harmonifchften abgefchloffen
zeigen diefen mittleren Stil des Meifters feine Bilder von 1631 bis 1635: die
Dünenlandfchaft von 1631 in der Gothaer Galerie, die Flufslandfchaft mit Bauern-
’ häufern unter Bäumen von 1631 i) in der öffentlichen Sammlung zu Glasgow,
die »Hütten an der Strafse« von 1632, vormals bei Herrn N. L. Lepke in
Berlin, der »Ziehbrunnen unter Bauernhütten« von 1633 in der Dresdener Galerie,
ein ähnliches Bild von demfelben Jahre vormals bei Herrn N. L. Lepke in
Berlin, das Strand- und Dünenbild von 1634 bei Herrn Semeonow in St. Peters-
burg, die »Weidelandfchaft« von 1635 im Braunfchweiger Mufeum.
Um 1640 hat van Goyen fich ganz felbft gefunden, und er bewahrt nun
bis an fein Ende feine feinfühlige, ausgebildete Eigenart. Er hält fich jetzt
vorzugsweife an die Flüffe und breiteren Kanäle feiner Heimat, wie fie fich, zu
beiden Seiten abwechfelnd von Bäumen und Bauernhäufern, Kirchthürmen und
Windmühlen, an anderen Stellen aber auch von ftattlichen Städten und Caftellen
begrenzt, im Sommer von Kirchen und Schiffen, im Winter von zahllofen
Schlittfchuhläufern belebt, mit weichen malerifchen Windungen durch die Ebene
ziehen; doch kehrt er auch wohl einmal zu den Dünenlandfchaften und Dorf-
wegen zurück, die er in feiner früheren Zeit bevorzugte: Vordergrund, Mittel-
grund und Hintergrund pflegen in der Zeichnung und in der Färbung perfpek-
tivifch fcharf gefondert zu fein; die malerifche Behandlung ift ganz frei und
leicht geworden. Breitflüffig wird untermalt, leicht tupfend wird ausgeführt.
Vor allen Dingen aber wird jetzt alles in Ton aufgelöft, alles in den
einheitlichen Schleier einer mit einer befonderen Farbe gefüllten Atmofphäre
gehüllt. Ift diefe «Farbe kühl und grau, fo entfpricht fie dem feuchten Nebelwehn,
welches oft an diefen Küften herrfcht1 2); ift fie gedämpft grau-golden, wie weit
öfter bei van Goyen, fo entfpricht fie auch noch dem Lichte, welches an halbum-
fchleierten Sommertagen durch den Kampf der Sonne mit der Nebelluft erzeugt
wird, ift fie aber wenigftens im Vordergründe tiefbraun, wie am öfteften bei
van Goyen, fo kann fie doch nur bei fpätherbftlichen Darftellungen für natur-
wahr gelten und ift im Uebrigen keineswegs von dem Vorwurf der Manierirt-
heit freizufprechen. Aber die Poefie der über feuchten Niederungen ruhenden
atmofphärifchen Stimmung ift jedenfalls erft durch van Goyen entdeckt worden;
und darin, dafs er diefen Stimmungen einen reizvollen malerifchen Ausdruck
1) Von demselben Jahre ein Bild im Stockholmer Privatbesitz: Granberg a. a. O. N. 7.
2) Vgl. des Verfaffers »Kunft- und Naturfkizzen« I (1880) S. 36.