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nehmen. Aus den Erfahrungen seines vielbewegten Lebens
hatte er folgende Lehre gezogen: „Ich bin alt genug in
der Welt geworden und habe gelernt, dass von Menschen,
wie sie auch heissen und sich ankündigen, nichts als
menschliches und sehr unvollkommenes zu erwarten sei“.1)
Diese traurige Resignation, war die Folge des Scheiterns
aller „frohen Hoffnungen“ und „grosser Erwartungen“, ihr
musste die frühere Kampflust weichen.
„Ich sitze denn hier an der Grenze Deutschlands,
ziemlich gut, so lange die Götter Ruhe schenken. An die
mögliche Zukunft muss man nicht denken, sondern von
Tag zu Tag leben, Gutes und Böses durcheinander an-
nehmen, seinen Pudding in Ruhe essen und schweigen.“
Trotz dieses Entschlusses hat Rebmann das rege In-
teresse an den politischen Ereignissen zeitlebens behalten.
Er schreibt an Laun, um ihm über die französischen
Zustände zu berichten, die er aus der Nähe besser zu
erkennen glaubte, als es seinem Freunde in Sachsen mög-
lich war.
„Mit der Anhänglichkeit an die Bourbonen und mit
der Ruhe ist es in Frankreich nicht für lange Zeit“, meint
Rebmann. Voll Pessimismus sieht er den kommenden Er-
schütterungen entgegen, „Gott weis übrigens, was wir
alles nicht erleben werden, ich ahne eine dunkle, verhäng-
nisvolle Zeit und hoffe und wünsche, sie nicht zu erleben“.2)
Er ist der Ueberzeugung, dass nicht nur die Restauration
in Frankreich, sondern die übrigen wiederhergestellten
europäischen Staatensysteme keinen festen Grund haben.
„Wer weiss“, schreibt er ein Jahr später, „ob alles, woran
Menschen, wie Bienen arbeiten, lange Bestand haben wird“.3)
Rebmann hatte das richtige Gefühl, dass die durch den
Wiener Kongress sanktionierte Reaktion allgemeine Miss-
stimmung hervorgerufen hatte, und sah ein, dass die Ent-
täuschung der „befreiten Deutschen“ am grössten sein
musste. Sie hatten von einem mächtigen Deutschen Reich
1) Ibid. S. 53.
2) Ibid. S. 54. — Rebmanns Brief vom 1. Juli 1817.
3) Ibid. S. 55. — Rebmanns Brief vom 3. November 1818.
 
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