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Viel schärfer ist Rebmanns Kritik der Zustände in
Leipzig, „dieser traurigen Stadt“. Er tadelt die aristokra-
tische Organisation des Leipziger Stadtmagistrats, „bei der
die Bürger Sklaven des aufgeblasenen Magistrats sind“ und
das von ihm eingeführte drückende Accisesystem, welches
alles doppelt und dreifach verzolle, sodass „es unmöglich
sei, eine Himbeere zu essen, ohne dem Magistrat etwas ab-
zugeben“ . . .
Er macht die richtige Bemerkung, dass der Leipziger
Handel durch den Krieg und die Teilung Polens gelitten,
und dieses gibt ihm die Gelegenheit, noch einmal zu er-
wähnen, „wie viel Unheil und Jammer aus der Zusammen-
kunft einiger Kronenträger in Pillnitz fliessen könne“.1)
Interessant und amüsant ist, was Rebmann von dem
Versuche, die Lehrfreiheit der Universität Halle zu unter-
drücken, erzählt. Dieser Versuch ging vom Minister
Wöllner aus, der die Zensoren Hermes und Hillmer nach
Halle sandte.2) „Als die Inquisitoren angekommen waren“,
berichtet Rebmann, „um die Glaubensreinheit der dortigen
theologischen Fakultät eingehend zu prüfen, erklärte sich
der Papst bereit, Hermes eine Audienz zu erteilen . . .
Unter den Fenstern versammelten sich die Studenten und
mit dem Ruf: Es sterbe die Inquisition! flog ein Hagel
Steine in das Zimmer der hoch würdigen Herrn, die dadurch
so eingeschüchtert wurden, dass sie sich bei Nacht und
Nebel demütig davon schlichen“ . . .3)
Die Zustände in Hessen aber geben Rebmann Gelegen-
heit zu ergreifenden Schilderungen der Armut der Land-
bevölkerung. Mit Entrüstung erwähnt er als Ursache die-
ser grenzenlosen Armut den schändlichen Soldatenhandel,
der Deutschland seiner Arbeitskräfte beraubte und England
das Menschenmaterial zu seinen Kriegen lieferte.4) Von
1) Ibid. S. 97-98, 103, 110—111.
2) Fromm, Kant und die preussische Zensur. S. 44—45.
3) Wanderungen. Bd. I. S. 60—61.
4) Der Landgraf von Hessen, Friedrich (1760—1785), hatte wäh-
rend des englisch-amerikanischen Krieges (1775—1782) an England
17 000 Deutsche verdungen. In der Schlacht bei Saratoga (1777) waren
viele Deutsche gefallen und gefangen genommen worden.
 
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