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Wreszinski, Walter
Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte (2. Teil) — Leipzig: Verlag der J.C. Hinrichs'schen Buchhandlung, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.61828#0326
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Wreszinski, Atlas zur altägypt. Kulturgesch. II.

Zeichnung und Text zu Taf. 1151)
Allgemeines zum Feldzug gegen die Nord Völker und zu diesen selbst s. II in.
Die Flotte der Nordvölker, in 5 Schiffen verkörpert, wird von 4 ägyptischen Schiffen
(3 von links, das unterste vom Feind abgewendet2), das vierte rechts unten) an-
gegriffen.
Die vier Schiffe der beiden oberen Reihen sind von den Ägyptern so nahe an
die Küste herangedrängt worden, daß sie in den Bereich der Schützen des zur
rechten Zeit eingetroffenen Heeres gekommen sind. Da den Fremden der Dar-
stellung nach die Fernwaffen fehlen, herrscht auf ihren Schiffen heillose Verwirrung,
nirgends zeigt sich ein Versuch zur Gegenwehr. Besonders das dem Könige zu-
nächst liegende Schiff, seinen Pfeilen am meisten ausgesetzt, ist in so hoffnungs-
loser Bedrängnis, daß der Kapitän, den Mast umklammernd, dem Pharao die Linke
mit einer Abwehrgebärde entgegenstreckt und der Steuermann verzweiflungsvoll
zum Zeichen der Ergebung die Arme hochwirft.
Auf dem mit Sikiliern (oder Wss ?) besetzten Schiff darüber, dessen Mann-
schaft durch die Pfeile des Pharao gleichfalls schon schwer gelitten hat, ist die
Panik kaum geringer, doch halten sich noch zwei Vorkämpfer auf dem Bug und er-
mutigen ihre Gefährten, aber der Mast neigt sich schon zum Fall und der Beob-
achter auf dem Mastkorb stürzt getroffen hinaus.
Die beiden Schiffe in der Mitte der oberen und mittleren Reihe, die der Be-
schießung vom Lande her weniger ausgesetzt sind, werden von den ägyptischen
Fahrzeugen bedrängt, deren Besatzung sie nicht nur aus der Entfernung beschießt,
sondern auch vom Bug aus den Nahkampf sucht. Mit metallenen Haken, die an
langen Leinen geschleudert werden, sucht man die Segel oder das Gestänge zu



packen und herunterzureißen, um die Bewegungsfähigkeit des Schiffes zu lähmen.
Die Beobachter auf den Mastkörben nehmen mit Schleudern am Kampf teil.
Das feindliche Schiff in der Mitte der unteren Reihe ist, von beiden Seiten be-
drängt, gekentert, die Besatzung, ihrem Kopfschmuck nach Philister, Tkkr oder
Danaer (vgl. L. D III 211), stürzt ins Wasser; so viele die Küste erreichen, werden von
den Ägyptern ans Land gezogen, erschlagen oder gefangen.

4) Descript. de l’Eg. Ant. II 10; Champoll. Mon. 222/23; Rosell. Mon. stör. 130/31;
Bissing-Bruckmann 94/a.
2) Die Kämpfer sind heckwärts gewendet; es ist wohl gemeint, daß die beiden ägyp-
tischen Schiffe das feindliche längsseit in die Mitte genommen haben.

Die Feinde werden auch von den Schiffen aus aufgefischt; die geretteten hocken
gefesselt in den ägyptischen Schiffen3).
Die ägyptischen Schiffe4) haben einen schlanken, schwach gebogenen Rumpf;
da sie auch zum Rudern eingerichtet waren, können sie keinen erheblichen Tiefgang
besessen haben. Der Vordersteven endet in einem Löwenkopf, in dessen geöffnetem
Rachen ein Syrerkopf sichtbar ist, der Hintersteven läuft steil und spitz ohne figür-
lichen Schmuck aus. Vom Steuerhäuschen davor wird das Steuerruder bedient,
meist waren es zwei, hier ist nur eines dargestellt. Es ist an einem Pfahl befestigt,
der Steuermann regiert es direkt, indem er es im Ellenbogen festhält, also nicht
mittels des seit dem MR verwendeten hölzernen Schwengels, der in die Ruderstange
eingelassen ist. Das Ruder läuft seitlich an der Schiffswand herunter, das breite
Blatt schließt unten kantig ab. Der Mast, stets vom Korb für den Beobachter ge-
krönt, trägt zwei im Verhältnis zu seiner Höhe sehr breite Raen, von denen aber
nur die obere gezeichnet ist; das gereffte Segel und das Tauwerk ist summarisch
angegeben, die Verdickung des Mastes unterhalb des Korbes deutet wohl auf die
dicke Umwindung mit Tauen zur Befestigung der Takelage.
Die Ruderer, deren Zahl sich aus der Zeichnung nicht erschließen läßt, scheinen
durch die hohe Bordwand ziemlich geschützt, doch sind ihre Köpfe noch teilweise
sichtbar. Der niedrige Aufbau am Bug, bei den Flußbooten dem Piloten vorbehalten,
ist hier auch von Kriegern besetzt.
Die feindlichen Schiffe unterscheiden sich von den ägyptischen durch den ge-
drungeneren, schwereren Bau. Ihr Vordersteven hebt sich fast im rechten Winkel und
endet in einem Gänsekopf, auch der Hintersteven steigt steil auf. Bug und Heck
tragen den ägyptischen entsprechende Aufbauten, ebenso entspricht die Takelung
der Zeichnung nach der ägyptischen. Ruder fehlen, das einzige sichtbare Steuer (am
mittleren Schiff oben) ist an der Seite des Schiffs heruntergeführt; es kreuzt einen
anderen ruderähnlichen Gegenstand, der wagerecht über das Heck hinausragt.
Die Ägypter sind durch Kappen und Panzer geschützt, die freilich nur bei
einigen noch sichtbar sind; sie tragen die sonst an den Syrern bekannten zipfeligen
und troddelgeschmückten Schurze, die mit bunten Borten besetzt und eingefaßt sind.
Bevor es noch zum Nahkampf kommt, zermürben sie ihre Gegner durch den
Pfeilregen, dem jene nichts entgegenzusetzen haben, wenn man dem Bild glauben
darf, vielmehr schützen sie sich nur gegen die Geschosse durch Panzer und Schild
und warten auf die Möglichkeit, sich ihrer langen Spieße und Schwerter zu bedienen.
Die Nordvölker scheiden sich bei sonst gleicher Tracht und Bewaffnung durch
den Kopfschmuck in die Gruppe der Sikilier und die der Philister, Tkkr und Da-
naer; wohin die noch genannten Wss des Meeres gehören, ist nicht zu entscheiden.
Sie führen außer den eben genannten Schwertern und Spießen den Rundschild und
3) Die Arme ohne Kopf und Körper am Bord des ägypt. Schiffes links gehören kaum
zur Darstellung eines Versinkenden, wie angenommen worden ist, sondern sind wohl Reste
der älteren Fassung des Bildes.
4) Zum ägypt. Schiff des NR Busley im Jahrb. d. Schiffsbautechn. Ges. 1919 S. 213 folg.,
in Einzelheiten verbesserungsbedürftig. Für die Größenbestimmung der Seeschiffe dieser Zeit
fehlen alle sicheren Angaben, vgl. aber z. B. die Beschreibung einer Prunkbarke für den Gott
Ptah in dem gleichzeitigen Pap. Harris I 48, 11: sie war aus echtem Cedernholz und maß
130 Ellen, d. h. 67,6 m. Die Barke hatte einen goldenen Falken als Gallionsfigur mit Einlagen
von allerlei Gestein und 2 Steuerruder. Die Seeschiffe wird man sich jedenfalls nicht kleiner
vorzustellen haben.

tragen über dem oben beschriebenen „syrischen“ Schurz einen Panzer, der sich der Form der
Brust anpaßt, indem mondsichelförmige, mit der Spitze nach oben — seltener nach unten —
gerichtete schmale Lagen auf dem Brustbein Zusammentreffen. Aus ebensolchen, aber wagerecht
durchgehenden Lagen besteht auch der ägyptische Waffenrock.
Die Ägypter haben in dieser Schlacht keine Söldner verwendet, gewiß um ihre Zuverlässig-
keit in einem Kampf gegen Stammesverwandte auf keine zu harte Probe zu stellen.
Zu der kleinfigurigen Wirrnis5 6) des Schiffskampfes steht die große einzelne Gestalt des
Königs in wirkungsvollem Gegensatz. Er steht auf einer symbolisch aus den Leibern seiner
Feinde gebildeten Unterlage in elastischer, durch die Anstrengung des Bogenspannens bewegter
Haltung, von der Uto, der Herrin des Himmels, der Schutzgöttin Unterägyptens, beschirmt,
vor ihm Soldaten, die teils gleich dem Herrscher mit ihren Pfeilen in den Kampf eingreifen,
teils die ans Ufer schwimmenden Feinde in Empfang nehmen und niederhauen oder fesseln.
Beim König befindet sich seine gewöhnliche Umgebung. Der Wedelträger ist ein Prinz,
der Wagenlenker trägt eine Kappe mit Nackenschutz und Troddeln sowie einen Waffenrock,
hinter dem Zivilgefolge steht die Leibwache, voran zwei Mann mit Bogen und Krummschwert,
ein langes Seil mehrfach um Schulter und Brust gewickelt, dahinter eine Rotte Schwerbewaffneter.
Die beiden Reihen ganz unten setzen sich auf Taf. 119 fort. Die Gefangenen werden fort-
geführt, eine Abteilung Ägypter schließt den Zug. Es verdient erwähnt zu werden, daß die
obere Reihe in der Größe ihrer Figuren zwischen den viel kleineren der Schlacht und den
großen des untersten Streifens vermittelt.
Text über dem Bilde: Der Gute Gott, Month für Ägypten, kraftvoll wie Baal gegen die
fremden Länder^} mit starken Armen, furchtlosem Herzen, hörnerbewehrt, stark in seiner Kraft,
ein Bollwerk, das Ägypten deckt, sodaß keiner kommen kann, um es zu beflecken (o. ä.), der
König Ramses III.
Die nördlichen Fremdvölker, die auf ihren Inseln saßen, zitterten fürwahr an ihren Glie-
dern, als sie in die Häfen (Mündungen? s. II 111J einfuhren. Die Nasen ihrer Herzen hörten
auf, die Luft seiner Majestät zu atmen7 8}, der wie ein Sturmwind gegen sie herausfuhr und auf
der Walstatt wie ein Held stritt. Seine Macht und seine Stärke drangen in ihre Glieder, so-
daß sie gekentert und an ihrem Standort vernichtet sind. Ihr Herz ist fort, ihre Seele ent-
flohen*}, ihre Waffen sind über das Meer verstreut. Sein Pfeil haftet in ihnen, wo er will,
der getroffen ist, stürzt ins Wasser9 10}. Seine Majestät gleicht dem ergrimmten Löwen, der seinen
Angreifer mit den Pranken nieder schlägt, nach rechts kämpft und nach links wütet, wie Seth
die Dw-kdj-Schlange™} vernichtet. Amonre™} ist es, der ihm die Länder unterwirft und ihm
jedes Land unter seine Füße zwingt, dem König Ramses HL.

5) Die Darstellung hat nach ihrer Fertigstellung mancherorts noch eine Umarbeitung erfahren,
durch das Abfallen des Stucks, der sie bedeckt hatte, ist die erste Fassung teilweise wieder zutage ge-
treten, vgl. Nelson im Oriental Institute Communication Nr. 5, S. 26 folg.
6) Month = der Kriegsgott, der Ägypten schützt, Seth = der Kriegsgott, der die feindlichen
Länder vernichtet, im Könige vereint.
’) Die Stelle ist trotz der Kühnheit des Bildes kaum anders aufzufassen.
8) Lies p' Determ.
9) Umständlicher Ausdruck: „Der Getroffene wird zu einem ins Wasser fallenden“. Hm ■ f ohne
einleitende Partikel ist ungewöhnlich.
10) DwLd s. auch Louvre C 67 (Br. Wb. 1215), dort scheinbar als 2 Wörter, nicht als Name. Kd
mit dem obigen Determ. s. Br. Wb. 1483.
n) e..... ~ für 0/waaa

Tafel 116
 
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