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VERBREITUNG DES TETRAKONCHEN BAUSCHEMAS


4. Kap.). Das in der Agia Sophia verwirklichte archi-
tektonische Ideal erscheint zwar in der halbbasilikalen
Bauform vereinfacht, aber nicht aufgegeben.
Neben dem gemischten Bauschema bleiben ver-
schiedene Bautypen von rein zentraler Anlage nicht nur
im Abendlande, sondern auch auf byzantinischem Boden
noch während und geraume Zeit nach der Herrschaft
Justinians im Gebrauch. Nur die Rotunde scheint durch
kein jüngeres Denkmal als das vorjustinianische (große)
Baptisterium der Agia Sophia (Abb. 323) mehr vertreten
zu sein. Das durch Ecknischen erweiterte Oktogon (Teil I,
5. 250 u. 253) hingegen finden wir sowohl mit quadra-
tischem äußeren Abschluß des Untergeschosses daselbst
im jüngeren (kleinen) Baptisterium vor, als auch mit
polygonalem Außenbau, wie er in (unregelmäßiger zehn-
seitiger) Gestaltung durch die neuesten Ausgrabungen
bereits bei dem zur älteren Säulenbasilika in Ephesus
(Teil I, S. 256, Abb. 247) gehörigen Baptisterium fest-
gestellt ist, sogar noch in den beiden Anbauten der
Kuppelbasilika von Dere-Ahsy in Lykien (Abb. 339).
Als einfache Oktogone sind noch im 6. Jahrhundert das (1881 mit niedrigerem Tambour
wiederhergestellte) Baptisterium der Basilika von Parenzo (Abb. 350) vom Bischof Eufrasius
sowie die kleineren beiden Memorialbauien neben S. Lorenzo in Mailand (Abb. 341) erbaut.

Abb. 341.
S. Lorenzo in
Mailand,Grund-
riß (1:1000)
(nach Dehio und
v. Bezold, a. a. O.).

Die große mailändische Märtyrerkirche selbst steht anscheinend im Abendlande als
einzigartiges Beispiel eines reicher gegliederten, von byzantinischen Vorbildern wie S. Vitale
abhängigen Zentralbaues da. Das Dunkel, welches über einem der bedeutensten altchrist-
lichen Baudenkmäler des Abendlandes liegt, lichtet sich allmählich durch die heute freilich
noch nicht abgeschlossenen Ausgrabungen.


Schon um Mitte des 5. Jahrhunderts war dem heiligen Laurentius auf der Stätte einer antiken
Palast- oder Thermenanlage, — von dieser steht noch z. T. die prächtige Säulenfront an der Straße —
eine Kirche (Teil I, S. 254) errichtet worden, an die nach Süden, wahrscheinlich von Galla Placidia, die
jetzige Kapelle von S. Aquilino als Memoria des heiligen
Gerasius und etwas später im Osten das Oktogon von S. Ippo-
lito angefügt wurde. Das letztere erfuhr gleichzeitig mit
dem Hauptbau und mit der Entstehung des dritten und
kleinsten Martyrions von S. Sisto an der Nordseite in der
ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts von Grund und Boden aus
eine Erneuerung. Da die Kirche aber noch zweimal, im zwölf-
ten Jahrhundert und in der Hochrenaissance, umgestaltet
worden ist, so blieben wir iiber das System des ersten
Kuppelbaues auf Riickschlüsse angewiesen. Und das Ergeb-
nis der neueren Untersuchungen, daß einerseits die Auf-
stellung der Kuppelträger im Achteck erst in der Renais-
sance die ursprüngliche quadratische ersetzt hat, andrer-
seits aber die halbkreisförmigen Säulenstellungen noch dem
Abb. 342 Kirche des hl Grep-or in Etsch- altehristlichen Bau angehören, läßt kaum eine andere Rekon-
miadsin, Grundrilf struktion zu als die eines durch vier Exedren erweiterten
(nach strzygowski, Der Dom zu Aachen 1904). Kuppelraumes mit Zwickelgewölben oder Trompen inmitten
 
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