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Wulff, Oskar
Donatello — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 19/​20:, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.73675#0008
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dann (um 1410) auf den für einen Strebepfeiler des Do-
mes bestellten Marmordavid übertragen (Abb. 4), der
1416 der Aufstellung im Palazzo dei Signori gewürdigt
wurde. Durch Einfügung des Goliathkopfes, der einem Gi-
ganten ähnelt, erscheint der Schritt zu fast übertriebener
Länge gesteigert. Der Oberkörper im knappen Leder-
koller und vollends der Kopf wendet sich in gegensätz-
licher Drehung herausfordernd dem Feinde zu. Der
Ellenbogen des eingestemmten linken Armes stößt frei
heraus, die gesenkte Rechte hält, aus dem schattigen
Bausch des Mantels, der im Rücken wieder emporgezo-
gen und vor dem Halse geknotet ist, hervorkommend,
mit gespreizten Fingern die herabpendelnde (größtenteils
fehlende) Schleuder. Von sprühendem Eigenleben durch-
pulst steht hier zum erstenmal ein ganz einheitliches Na-
turgewächs von schlanker, ja spitziger Gliederbildung
da. Nur der dem älteren Propheten am Domportal
(Abb. 2) nicht unähnliche kleine Kopf, der mit seinem
Kranze von Weinlaub augenscheinlich eine Antike nach-
ahmt, entbehrt noch des selbständigen Ausdrucks. Alle
diese Erstlingswerke aber verknüpft als Stilmerkmal die
Sonderform der langen Hand, die schon vorher manch-
mal (Abb. 1—3) im Gelenk gebogen, aber meist in nich-
tiger Verrichtung begriffen und erst am David bis in die
Fingerspitzen durchgebildet und belebt ist.
An den Standbildern von Or S. Michele erprobt der
wachsende Naturalismus seine Kraft im Sinne indivi-
dualisierender Charakterdarstellung in freier Anlehnung
an die Antike. Ihre Formengebung wird mit dem her-
kömmlichen ikonographischen Typus vermittelt, — zu-
nächst am Kopf des Petrus (Abb. 6). Seine zurückge-
lehnte Haltung mit vorgeschobenem, nur leicht gebeug-
tem Spielbein und die entschiedene Wendung nach der
Standbeinseite bestätigt Donatellos Urheberschaft, die
der örtlichen Überlieferung (bei Vasari) zuwider mit Un-
recht angezweifelt worden ist. Versuchsweise wird dann

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