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die Kupferstiche nach Hogarth auf, z. B. die Betrunkene,
die ihr Kind fallen läßt. Diese Damen behaupten, mit
dem Heiligen verwandt zu sein und daher auf sein Ge-
müth durch ihre Bitten leichter als gewöhnliche Menschen
einwirken zu können. Ich höre noch die gellenden Stimmen
dieser Modellsammlung, aus der sich eine ganze Akademie
mit Großmüttern des Teufels, Hexen Macbeths, Furien
und bösen Schwiegermüttern auf viele Jahre hinaus
versehen könnte. Ich sehe sie noch, diese merkwürdigen
zwei Köpfe, die Geistlichen, in deren kundigen Händen
das „Wunder" vor sich ging. Der Eine hatte eine
feine, nervöse Miene und einen sehr kleinen Mund, den
er, wie in stiller Betrachtung des Mirakels, zu einer
Art von gottseligem Papageienschnabel zusammenspitzte.
Dieser Pater hielt das kleine Tabernakel, in dem die
zwei Fläschchen mit dem Blute eingeschlossen sind, und
drehte das Ding beständig in seinen Händen. Der
Andere war ein positiver Kopf; er schien von Roastbeef
und Wein zu leben, und nicht wie sein Nachbar von
Thee und Butterbrot; er hielt das Licht, und zwar
stets ganz nahe an dem Tabernakel, damit man genau
sehen konnte, wann das Wunder seinen Anfang nehme.*)
Ich sehe auch mich noch, wie ich neben meinem
Professor der Gottesgelahrtheit am Fuß des Altares
kniete. Dümmeres konnte uns Zweien schon nicht passiren,
als uns an solchem Orte, und noch dazu knieend, zu
treffen. Mich schmerzten meine Kniee, der bittere Kelch

*) Das dem Tabernakel beständig nahegehaltene Licht ist
wohl eine der Hauptursachen der „wunderbaren" Flüssigwerdung.
.Eine eigentliche, vollständige wissenschaftliche Erklärung des Taschen-
spielerstückchens ist mir nicht zu Gesicht gekommen; es wäre wohl
der Mühe werth, daß Jemand von Fach sich sür die Aufklärung
des Humbugs interessirte.
 
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