DIE KUNSTPHILOSOPHIE DES ABBE DUBOS. 36Q.
seine eigentliche Lehrzeit, und die damals gesammelten Erfahrungen
nehmen später in seinen »Reflexions critiques* den breitesten Raum ein.
Als Dubos aus Italien zurückkommt, beginnt der spanische Erb-
folgekrieg und damit seine eigentliche diplomatische Laufbahn. Neben
verschiedenen politischen Veröffentlichungen fand er noch die Zeit zu
einem eigenen Geschichtswerk, der 170Q erschienenen »Nistoire de la
ligue de Cambrah, das übrigens neben dem wissenschaftlichen auch
einen politischen Zweck verfolgt: das Schicksal der Republik Venedig
sollte der holländischen Republik in der gegenwärtigen, ganz ähnlichen
Konstellation als Warnung vor Augen gestellt werden und sie veran-
lassen, vom Kriege gegen Frankreich abzustehen. — Zum Schluß des
Krieges nimmt er an den Verhandlungen von Gertruydenberg, Rastatt
und Baden wichtigen Anteil, aber er hat zunächst keinen Nutzen
davon. Erst unter der Regence (1715) kann er seine Verbindungen
verwerten. Der neue Minister Dubois ist nun selber ein bürgerlicher
Abbe, dazu ein langjähriger Freund Dubos'. Unter ihm kommt er
rasch zu geistlichen Ehrenstellen und großen Einkünften, durch die
»Reflexions« gelangt er in die Akademie. Seine weiteren politischen
Arbeiten dienen dazu, die Rechte der Krone gegenüber den Ansprüchen
des Adels zu begründen und zu stützen, und aus diesen Schriften und
mit derselben Tendenz entsteht 1734 sein letztes großes Werk, die
»Histoire de Vetablissement de la monarchie frangaise«..
Diplomatisch, schmiegsam, immer auf das Praktische gerichtet und
aktuell, so war Dubos auch in seinen wissenschaftlichen Anschauungen.
Man kann die Komponenten seiner Richtung verhältnismäßig leicht
aufzeigen. Lombard sagt, auf ihn könne man den Satz anwenden:
>L,e'tudier, dest etudier son siecle.«- Mehr noch, man möchte umge-
kehrt sagen, wenn man seine Zeit studiert, studiert man ihn ohne
weiteres mit. In seinem weiten Gehirn treffen sich alle Strömungen
der Jahrhundertwende und ergeben fast von selbst etwas Spezifi-
sches, eine praktische Lösung. In ihm begegnen sich der französische
Rationalismus und der englische Empirismus, der Dogmatismus des
17. und der Aufklärungsgeist des 18. Jahrhunderts, und besonders der
konservative und der fortschrittliche Geist in der damaligen Literatur
und Kunst. — Wir haben hier absichtlich Schlagworte hergesetzt, um
allgemein Bekanntes anklingen zu lassen, und wollen nun im einzelnen
etwas auf das geistige Milieu eingehen, aus dem heraus die Dubossche
Lehre entstanden ist.
Wie eben angedeutet, war Dubos gerade das Gegenteil von dem
rein spekulativen, einseitig deduktiven Denktypus, der die kontinentale
Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVII. 24
seine eigentliche Lehrzeit, und die damals gesammelten Erfahrungen
nehmen später in seinen »Reflexions critiques* den breitesten Raum ein.
Als Dubos aus Italien zurückkommt, beginnt der spanische Erb-
folgekrieg und damit seine eigentliche diplomatische Laufbahn. Neben
verschiedenen politischen Veröffentlichungen fand er noch die Zeit zu
einem eigenen Geschichtswerk, der 170Q erschienenen »Nistoire de la
ligue de Cambrah, das übrigens neben dem wissenschaftlichen auch
einen politischen Zweck verfolgt: das Schicksal der Republik Venedig
sollte der holländischen Republik in der gegenwärtigen, ganz ähnlichen
Konstellation als Warnung vor Augen gestellt werden und sie veran-
lassen, vom Kriege gegen Frankreich abzustehen. — Zum Schluß des
Krieges nimmt er an den Verhandlungen von Gertruydenberg, Rastatt
und Baden wichtigen Anteil, aber er hat zunächst keinen Nutzen
davon. Erst unter der Regence (1715) kann er seine Verbindungen
verwerten. Der neue Minister Dubois ist nun selber ein bürgerlicher
Abbe, dazu ein langjähriger Freund Dubos'. Unter ihm kommt er
rasch zu geistlichen Ehrenstellen und großen Einkünften, durch die
»Reflexions« gelangt er in die Akademie. Seine weiteren politischen
Arbeiten dienen dazu, die Rechte der Krone gegenüber den Ansprüchen
des Adels zu begründen und zu stützen, und aus diesen Schriften und
mit derselben Tendenz entsteht 1734 sein letztes großes Werk, die
»Histoire de Vetablissement de la monarchie frangaise«..
Diplomatisch, schmiegsam, immer auf das Praktische gerichtet und
aktuell, so war Dubos auch in seinen wissenschaftlichen Anschauungen.
Man kann die Komponenten seiner Richtung verhältnismäßig leicht
aufzeigen. Lombard sagt, auf ihn könne man den Satz anwenden:
>L,e'tudier, dest etudier son siecle.«- Mehr noch, man möchte umge-
kehrt sagen, wenn man seine Zeit studiert, studiert man ihn ohne
weiteres mit. In seinem weiten Gehirn treffen sich alle Strömungen
der Jahrhundertwende und ergeben fast von selbst etwas Spezifi-
sches, eine praktische Lösung. In ihm begegnen sich der französische
Rationalismus und der englische Empirismus, der Dogmatismus des
17. und der Aufklärungsgeist des 18. Jahrhunderts, und besonders der
konservative und der fortschrittliche Geist in der damaligen Literatur
und Kunst. — Wir haben hier absichtlich Schlagworte hergesetzt, um
allgemein Bekanntes anklingen zu lassen, und wollen nun im einzelnen
etwas auf das geistige Milieu eingehen, aus dem heraus die Dubossche
Lehre entstanden ist.
Wie eben angedeutet, war Dubos gerade das Gegenteil von dem
rein spekulativen, einseitig deduktiven Denktypus, der die kontinentale
Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVII. 24