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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Kainz, Friedrich: Zur dichterischen Sprachgestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0225
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222 FRIEDRICH KAINZ.

häufigere Fall ist — es nicht vorzieht, zu den klangvollen Namen
eigener Adelsgeschlechter zu greifen oder ähnlich klingende Analogie-
bildungen zu schaffen. Bei süddeutschen Autoren finden sich umge-
kehrt nicht selten Anleihen an norddeutsche Namensbildungen. So
wird der Namenausgang auf er vermieden, weil er in bajuvarischen
Gegenden etwas ganz Gewöhnliches ist. An die Stelle der alltäglichen
Mahler, Aiser, Hofstätter treten Bildungen auf en: Mahlen, Alsen, Hof-
stetten. Häufig wird auch die Schreibweise in den Dienst des feudalen
Ethos gestellt (Maalen) und dadurch schon graphisch eine Differenzie-
rung vom Alltäglichen bewirkt. Dieser harmonistische Eklektizismus
zeigt sich auch in der Wahl der Pseudonyme. — Gegen diese »schönen
Namen« des Familienblattromans haben sich die Naturalisten empört
und ihrerseits möglichst platte, gesucht belanglose oder übertrieben
häßliche und lächerliche Namen gewählt.

Einen weiteren Typus sehen wir dort, wo der Name (innerhalb
oder außerhalb des charakterisierenden Moments) komisch wirken soll.
Der realistische Humorist wählt Namen, die schon zur Auflösung des
in ihren Trägern liegenden Scheinwerts auffordern (Maler Klexel, Dichter
Bählamm) und durch ihre Bedeutungsvorstellung und deren Beziehung
auf den Träger komisch wirken. Raabes Namengebung liebt »lang-
tönende, ironisch-feierliche nomina agentis«: Feuchtenbeiner, Wasser-
treter, ferner Namen mit lautsymbolischer oder direkt aussagender Be-
deutung: Basilides Connexionsky, Sliddery, Windwebel. Die komische
Wirkung wird verstärkt durch entsprechende oder grell widersprechende
Vornamen. (Diese teleologisch-sinnvolle Verkuppelung von Vor- und
Zunamen bietet ebenfalls Möglichkeiten der Steigerung.) — Grotesk-
komische Namenbildungen, die gelegentlich schon zum »Spiel mit dem
Namen« überleiten, finden sich häufig, z. B. bei Wedekind: Clara Hühner-
wadel, das Professorenkollegium aus »Frühlingserwachen«: Knochen-
bruch, Zungenschlag, Sonnenstich, Fliegentod, Affenschmalz, Hunger-
gurt, Pastor Kahlbauch. Dabei kann das komische Element im Inhalt-
lichen (der dinglichen Bedeutungsvorstellung) oder im klanglich-formalen
Bestandteil liegen (Zendelwald, Litumlei).
 
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