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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Spitzer, Hugo: Apollinische und dionysische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0220
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XI.

Apollinische und dionysische Kunst.

Von

Hugo Spitzer.

2. Die Affekte als ästhetische Teilgefühle.

Das Ergebnis der bisherigen Betrachtungen, soweit sie das Ver-
hältnis von Affekt und ästhetischem Gefühl betreffen, läßt sich am
bündigsten im folgenden Schlüsse zusammenfassen: keiner unter sämt-
lichen Affekten stellt ein bloßes Empfindungsgefühl vor; einige ästhe-
tische Gefühle tragen jedoch unverkennbar den rein sinnlichen Cha-
rakter an sich; folglich dürfen die ästhetischen Erregungen nicht in
Bausch und Bogen den Affekten zugezählt werden. Man sieht: diese
Schlußfolgerung entspricht allen Regeln der Syllogistik, sie könnte
geradezu als ein Musterbeispiel des Modus Festino der zweiten Figur
dienen. Wie es aber mit den syllogistischen Regeln überhaupt geht,
wie sie eine recht geringe praktische Bedeutung haben, weil allerdings
die Konklusion, sobald einmal die Prämissen feststehen, schlechter-
dings nicht anzufechten ist, sehr häufig jedoch eben die Sicherheit und
Verläßlichkeit der Prämissen von der Gültigkeit des Schlußsatzes ab-
hängt, statt umgekehrt, so verhält es sich auch hier. Alles kommt
nämlich, wie schon im ersten Artikel dieser Abhandlung gesagt wurde,
darauf an, ob man wirklich keinen Grund hat, die ästhetischen Gefühle
für Affekte zu halten, mithin auf die Richtigkeit des Schlußsatzes.
Stellte es sich heraus, daß die ästhetische Emotion zu den Affekten
gehört, und wollte das Problem trotzdem in der obigen Art syllo-
gistisch erledigt werden, so wäre die Absurdität einer derartigen Be-
weisführung mit Händen zu greifen. In diesem Falle, wenn es also
durch unmittelbare Vergleichung der Begriffe konstatiert wäre, daß
das Gefühl des Schönen und Häßlichen an und für sich ein Affekt
und zwar ein Affekt in der engeren, wenn auch nicht in der aller-
engsten Bedeutung des Wortes ist, d. h. wenn dasselbe sich als eine
Art von Gemütsbewegungen erwiesen hätte, müßte gerade der ent-
gegengesetzte Weg eingeschlagen werden. Es bliebe dann nichts
übrig, als die Voraussetzung der ganzen früheren Deduktion preis-
 
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