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AUGUST DÖRING.
Einzelne zur Einheit eines Gesamtprinzips zusammenzufassen. Die
Einheit ist nicht eine erst durch Synthese herzustellende, sondern
eine von vornherein vorhandene, aus der sich das Einzelne, Elementare,
durch Analyse ergibt.
So weit das, was zur Charakteristik der befürworteten Methode im
allgemeinen gesagt werden kann. Diese allgemeine Charakteristik kann
aber allein nicht überzeugend wirken oder auch nur vollkommen ver-
ständlich und die Fruchtbarkeit der Methode ins Licht stellend sein.
Zur vollen Würdigung ist es erforderlich, wenigstens den Grundzügen
nach den Verlauf ihrer Anwendung und die sich ergebenden Resultate
aufzuzeigen. Dazu gehen wir am Leitfaden der aufgestellten Dreiteilung
der Methode jetzt über.
5. Die bei der Anwendung auf das ästhetische Problem
vorauszusetzenden Punkte.
1. Zunächst ist vorauszusetzen, daß Schönheit die Fähigkeit eines
Objekts zur Hervorbringung einer Lu st Wirkung ist. Schon dieser
Punkt führt, da die Lust jedenfalls ein seelischer Vorgang ist, auf das
psychologische Verfahren als das primäre. Die Objekte, das
Schöne der Wirklichkeit und der Kunst, dienen dann der Verifikation,
und so stützt und trägt sich alles wechselseitig. Ferner liegt schon
in dieser ersten Voraussetzung, daß wir es hinsichtlich dieser End-
wirkung des Schönen mit der Gefühls Sphäre zu tun haben.
2. Diese Lustwirkung des Schönen ist nicht sinnlich, sondern
seelisch. Die sinnliche Lust muß hier in ganz strengem Sinne ge-
faßt werden, in so strenger Isolierung, wie sie im wirklichen Erleben
wohl kaum vorkommt. Es ist diejenige Lust, die unmittelbar und aus-
schließlich aus dem auf den Nerv geübten Reize gleichzeitig mit der
Empfindung und ohne Hinzutreten einer begleitenden Vorstellung ent-
springt. Man kann sie daher auch als Reizlust bezeichnen, was umso
berechtigter ist, als es sich nicht bloß um Sinnesreize, sondern auch
um Körperreize handelt. Ihr Gegensatz ist der ebenfalls in künst-
licher Isolierung genommene rein körperliche Schmerz. Um ihre Eigen-
art ganz zu erfassen, muß von allen sich sofort einstellenden beglei-
tenden Vorstellungen, der Vorstellung ihres Vorhandenseins und ihrer
Ursache, den etwaigen begleitenden Vorstellungen anderer Sinne, den
sich anschließenden Assoziationen, abstrahiert werden. Für die Reiz-
lust rein als solche ist der Übergang aus der reinen Gefühlsform in
die Form des Werturteils ausgeschlossen. Soweit es sich um Sinnes-
reize handelt, ist die Intensität bei den sogenannten höheren Sinnen
AUGUST DÖRING.
Einzelne zur Einheit eines Gesamtprinzips zusammenzufassen. Die
Einheit ist nicht eine erst durch Synthese herzustellende, sondern
eine von vornherein vorhandene, aus der sich das Einzelne, Elementare,
durch Analyse ergibt.
So weit das, was zur Charakteristik der befürworteten Methode im
allgemeinen gesagt werden kann. Diese allgemeine Charakteristik kann
aber allein nicht überzeugend wirken oder auch nur vollkommen ver-
ständlich und die Fruchtbarkeit der Methode ins Licht stellend sein.
Zur vollen Würdigung ist es erforderlich, wenigstens den Grundzügen
nach den Verlauf ihrer Anwendung und die sich ergebenden Resultate
aufzuzeigen. Dazu gehen wir am Leitfaden der aufgestellten Dreiteilung
der Methode jetzt über.
5. Die bei der Anwendung auf das ästhetische Problem
vorauszusetzenden Punkte.
1. Zunächst ist vorauszusetzen, daß Schönheit die Fähigkeit eines
Objekts zur Hervorbringung einer Lu st Wirkung ist. Schon dieser
Punkt führt, da die Lust jedenfalls ein seelischer Vorgang ist, auf das
psychologische Verfahren als das primäre. Die Objekte, das
Schöne der Wirklichkeit und der Kunst, dienen dann der Verifikation,
und so stützt und trägt sich alles wechselseitig. Ferner liegt schon
in dieser ersten Voraussetzung, daß wir es hinsichtlich dieser End-
wirkung des Schönen mit der Gefühls Sphäre zu tun haben.
2. Diese Lustwirkung des Schönen ist nicht sinnlich, sondern
seelisch. Die sinnliche Lust muß hier in ganz strengem Sinne ge-
faßt werden, in so strenger Isolierung, wie sie im wirklichen Erleben
wohl kaum vorkommt. Es ist diejenige Lust, die unmittelbar und aus-
schließlich aus dem auf den Nerv geübten Reize gleichzeitig mit der
Empfindung und ohne Hinzutreten einer begleitenden Vorstellung ent-
springt. Man kann sie daher auch als Reizlust bezeichnen, was umso
berechtigter ist, als es sich nicht bloß um Sinnesreize, sondern auch
um Körperreize handelt. Ihr Gegensatz ist der ebenfalls in künst-
licher Isolierung genommene rein körperliche Schmerz. Um ihre Eigen-
art ganz zu erfassen, muß von allen sich sofort einstellenden beglei-
tenden Vorstellungen, der Vorstellung ihres Vorhandenseins und ihrer
Ursache, den etwaigen begleitenden Vorstellungen anderer Sinne, den
sich anschließenden Assoziationen, abstrahiert werden. Für die Reiz-
lust rein als solche ist der Übergang aus der reinen Gefühlsform in
die Form des Werturteils ausgeschlossen. Soweit es sich um Sinnes-
reize handelt, ist die Intensität bei den sogenannten höheren Sinnen