DIE METHODE DER ÄSTHETIK.
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am geringsten. Die Skala ist hier etwa: Geschmack, Hautsinn, Geruch,
Gehör, Gesicht. Auf nähere Begründung dieses Punktes muß an dieser
Stelle verzichtet werden.
Die Lustwirkung des Schönen ist nun keinesfalls diese rein sen-
suelle, wie der ästhetische Sensualismus in mancherlei Abstufungen
wenigstens für einen Teil derselben behauptet. Sie ist unter allen Um-
ständen eine seelische, d. h. durch die Vorstellung des verursachen-
den Objekts vermittelte.
Es muß aber noch ein drittes Merkmal vorab angenommen werden.
Die ästhetische Betrachtungsweise bewirkt, wie Kant es ausdrückt,
»Wohlgefallen ohne Interesse«. Das in dieser Bezeichnung liegende
Oxymoron erhält dann seine Erläuterung dadurch, daß das Interesse
als auf die Existenz des Objekts gerichtet bezeichnet wird. Wir
könnten vielleicht noch genauer von Existenz für uns, für unsere
realen Daseinsbedingungen reden. Man könnte auch, von dem Ge-
danken ausgehend, daß Wohlgefallen doch auch eine Art des Inter-
esses ist, sagen: »ein unpersönliches Interesse«. Es ist dasselbe,
was Schopenhauer von seinem Gedankenkreise aus als die von der
Form des Willens befreiende, »willensfreie Betrachtung« bezeichnet,
und was bei v. Hartmann in der Bezeichnung der ästhetischen Ge-
fühle als »Scheingefühle« zum Ausdruck kommt. Dieser, sprachlich
allerdings zu beanstandende, Ausdruck soll besagen, daß es sich um
Gefühle handelt, die zu ihrem Entstehen nicht der vorausgesetzten
Realität der Objekte, sondern nur ihres Bildes, ihres Scheines, d. h.
lediglich des Vorgestelltwerdens, also einer für unsere individuelle
Schicksalslage bedeutungslosen Daseinsweise bedürfen. Eine Schwierig-
keit liegt hier nur darin, daß alle drei Denker diese unmittelbare Wir-
kung des Schönen auf die Gefühlssphäre beschränken. Wir würden,
um diese Verengerung zu vermeiden, statt Gefühl den weiteren Aus-
druck »Erregung« gebrauchen müssen, was freilich erst an späterer
Stelle verständlich gemacht werden kann. Jedenfalls hat v. Hartmann
das Verdienst, das Endergebnis des ästhetischen Prozesses in Unter-
scheidung von den »Scheingefühlen« nachdrücklich als reale Lust be-
zeichnet zu haben, die dann, soweit die ästhetische Erregung Gefühls-
erregung ist, zu der eigenartigen Erscheinung realer Lust aus ästhe-
tischen Gefühlen und insbesondere auch aus ästhetischer Unlust führt.
Mit diesen vorausgesetzten Bestimmungen des Schönen nun ist
noch keineswegs, wie manche Ästhetiker zu glauben scheinen, eine
abschließende Kennzeichnung des Schönen gegeben. Die Fähigkeit,
Lust und zwar Vorstellungslust zu erregen, wohnt außer dem Schönen
noch einem sehr weiten Gebiete anderer Objekte bei, ist also noch
viel zu weit und der Einschränkung bedürftig. Das Merkmal der
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am geringsten. Die Skala ist hier etwa: Geschmack, Hautsinn, Geruch,
Gehör, Gesicht. Auf nähere Begründung dieses Punktes muß an dieser
Stelle verzichtet werden.
Die Lustwirkung des Schönen ist nun keinesfalls diese rein sen-
suelle, wie der ästhetische Sensualismus in mancherlei Abstufungen
wenigstens für einen Teil derselben behauptet. Sie ist unter allen Um-
ständen eine seelische, d. h. durch die Vorstellung des verursachen-
den Objekts vermittelte.
Es muß aber noch ein drittes Merkmal vorab angenommen werden.
Die ästhetische Betrachtungsweise bewirkt, wie Kant es ausdrückt,
»Wohlgefallen ohne Interesse«. Das in dieser Bezeichnung liegende
Oxymoron erhält dann seine Erläuterung dadurch, daß das Interesse
als auf die Existenz des Objekts gerichtet bezeichnet wird. Wir
könnten vielleicht noch genauer von Existenz für uns, für unsere
realen Daseinsbedingungen reden. Man könnte auch, von dem Ge-
danken ausgehend, daß Wohlgefallen doch auch eine Art des Inter-
esses ist, sagen: »ein unpersönliches Interesse«. Es ist dasselbe,
was Schopenhauer von seinem Gedankenkreise aus als die von der
Form des Willens befreiende, »willensfreie Betrachtung« bezeichnet,
und was bei v. Hartmann in der Bezeichnung der ästhetischen Ge-
fühle als »Scheingefühle« zum Ausdruck kommt. Dieser, sprachlich
allerdings zu beanstandende, Ausdruck soll besagen, daß es sich um
Gefühle handelt, die zu ihrem Entstehen nicht der vorausgesetzten
Realität der Objekte, sondern nur ihres Bildes, ihres Scheines, d. h.
lediglich des Vorgestelltwerdens, also einer für unsere individuelle
Schicksalslage bedeutungslosen Daseinsweise bedürfen. Eine Schwierig-
keit liegt hier nur darin, daß alle drei Denker diese unmittelbare Wir-
kung des Schönen auf die Gefühlssphäre beschränken. Wir würden,
um diese Verengerung zu vermeiden, statt Gefühl den weiteren Aus-
druck »Erregung« gebrauchen müssen, was freilich erst an späterer
Stelle verständlich gemacht werden kann. Jedenfalls hat v. Hartmann
das Verdienst, das Endergebnis des ästhetischen Prozesses in Unter-
scheidung von den »Scheingefühlen« nachdrücklich als reale Lust be-
zeichnet zu haben, die dann, soweit die ästhetische Erregung Gefühls-
erregung ist, zu der eigenartigen Erscheinung realer Lust aus ästhe-
tischen Gefühlen und insbesondere auch aus ästhetischer Unlust führt.
Mit diesen vorausgesetzten Bestimmungen des Schönen nun ist
noch keineswegs, wie manche Ästhetiker zu glauben scheinen, eine
abschließende Kennzeichnung des Schönen gegeben. Die Fähigkeit,
Lust und zwar Vorstellungslust zu erregen, wohnt außer dem Schönen
noch einem sehr weiten Gebiete anderer Objekte bei, ist also noch
viel zu weit und der Einschränkung bedürftig. Das Merkmal der