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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0237
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224

BESPRECHUNGEN.

ließ es sich nicht verwirklichen. Ich weiß nicht, ob eine auch nur ordnende Redak-
tion des Herausgebers so sehr zu wünschen wäre. Es erhielten durch sie die zu er-
wartenden Bände wohl einen geschlosseneren Charakter, das Ganze wäre schließlich
übersichtlicher. Wohl. Aber wenn man schon die Kunstwissenschaft in Selbstdar-
stellungen vorführen will und wenn man es will trotz entgegenstehender Bedenken,
so würde durch eine auch nur ordnende Redaktion seitens des Herausgebers doch
gerade, meine ich, dieser nicht auf Probleme sondern auf Individuen (Forscher) ab-
gestellte Charakter abgeschwächt. Es bestünde die Gefahr, daß durch die Gruppie-
rung, zumal wenn sie über das Zusammennehmen etwa von »Generationen« hinaus-
gehen will, nach der einen Seite hin Zusammenhänge verstärkt, nach der andern
Seite hin aber gerade so die Gegensätze vergrößert würden. Es ist eben auch
im Bereich der Wissenschaft so, daß die Wirklichkeit bei aller ihr innewohnenden
Gegensätzlichkeit doch an sich weniger zerklüftet und reicher an Übergängen und
Zusammenhängen ist, als wenn sie die Hand oder der Geist des Menschen ordnet
oder ordnen will.

Die einzelnen Beiträge: Das zeitliche Aufsteigen der Probleme und Aufgaben
wird besonders deutlich in Gurlitts Selbstdarstellung. Städtebauliche Fragen (1877),
Gründung eines Städtebauseminars und Vorlesungen über Städtebau (seit 1902),
Herausgabe eines Handbuchs des Städtebaus (1920). Belebung des deutschen Kunst-
gewerbes (Anfang der achtziger Jahre). Die Barockforschung (1887/89 erschien das
Buch) mit ganz köstlichen und andersgearteten Erlebnissen: »Mir war, als sei ich
ein unendlich Reicher, der Einzige, der die Schönheit so vieler verachteter Bauten
erkennt, der also in ihrem geistigen Alleinbesitz ist. Da war noch Ilg in Wien, der
in seinem »Bernini redivivus« gleiche Bahnen zu gehen anregte, und bald auch setzte
Ebe in Berlin . .. ein« (S. 9 f.). »Das Schwierige an der Sache war, daß kein
Handbuch mir die Wege wies ... Ich mußte herumfragen, wo sich etwas für mich
Sehenswertes finde . . . Wie lachten ... die jungen Kunstbeflissenen in Florenz,
als ich ihnen schüchtern von meinen Plänen erzählte« .. . »Haben Sie schon etwas
von einem gewissen Brunellesco gehört?« frug mich Bayersdorffer ... — Im Zu-
sammenhang mit der Barockforschung das Problem des (protestantischen) Kirchen-
baues (1898 u. 1906). 1900 der erste Tag für Denkmalpflege in Dresden: »Mir war
an den »verzopften« mittelalterlichen Kirchen, namentlich Süddeutschlands, so z. B.
am Dom zu Passau, klar geworden, wie das 17. und 18. Jahrhundert seine Stellung
aufgefaßt hat .. . Selten erlebte ich einen ähnlichen Sturm der Entrüstung in einer
derartigen Versammlung, als er gegen mich von seilen der Kunstgeschichtler wie
der Architekten losbrach« (S. 12). Gurlitt hatte gegen das stilgemäße Restaurieren ge-
sprochen. Gedanken moderner Wohnungskultur hatte er schon 1887 in der Schrift »Im
Bürgerhaus« vertreten und Gedanken des Heimatschutzes schon in den in den Anfang
der neunziger Jahre fallenden Studien über das deutsche Haus und durch sein Ein-
treten für die Dorfkirche vorausgenommen oder sie mit heraufgeführt. Er ging auch
mit »der damals neuen Kunst«. Auch mit den englischen Präraffaeliten. In Rosetti,
Holmann Hunt, Watts, Madox, Brown kann man aber doch nicht mehr »die tiefsten
Meister« (S. 14) sehen. Gerade dann nicht, wenn man mit Gurlitt nicht darnach fragt,
ob eine Kunstanschauung richtig oder falsch sei, sondern darnach, »ob sie Ausdruck
der Zeit und zwar ein kraftvoller, eindringlicher Ausdruck sei.« Stark, mit Recht, be-
tont Gurlitt (S. 17 f.) die Bedingtheit des Urteiles in Kunstfragen. Die prononzierte
Antithese: Die Entwicklung des Schaffens »nach dem Stande der Forschung« und
»wie sie mir erscheint«, kommt aber doch, wenn das zweite Glied allzusehr betont
wird, einer Vertauschung der Rollen recht nahe, doch ohne Gewinn für das Spiel. In
der neuen Auflage von »Die deutsche Kunst seit 1800, ihre Ziele und Taten« (19244)
 
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