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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0368
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BESPRECHUNGEN.

355

Köln. Oraloriumsverlag Köln, München, Wien, Geistliche Gesänge für Männer-
chor. Herausgegeben von Dr. Willi Schmid, 1926. 53 S. 4°.
Jacob Handl, Geistliche Gesänge für Männerchor (4—8 v.). Heraus-
gegeben von Dr. Willi Schmid, 1926. 31 S. 4°.

Wer von Literatur für Männerchöre hört, glaubt es mit jenen inhaltlich flachen
und technisch nichtssagenden Chören zu tun zu haben, die den Männergesang im
19. Jahrhundert diskreditiert haben. Er erinnert sich im besten Falle der von Nägeli
und Zelter ausgehenden nationalen Ziele der Männerchöre und ahnt gar nicht, daß
ihre Geschichte Jahrhunderte bis in die älteste Zeit der Chorbildung zurückführt.
Mit der Entwicklung der mehrstimmigen Technik erlebt auch der Männergesang
einen Aufstieg und gewinnt in der Zeit der Hochblüte der a cappella-Kunst eine
besondere Bedeutung. Kein Meister des mehrstimmigen Gesanges der alten Zeit
geht ganz am Männerchore vorbei. Es ist eine verdienstliche Tat Willi Schmids,
eine Reihe hoch entwickelter geistlicher Männerchöre des 16.—18. Jahrhunderts der
Allgemeinheit erschlossen zu haben. Neben Jacob Handl (Gallus), dem deutschen
Palestrina und Meister der Wechselchörigkeit nach venetianischem Muster, der mit
4—8stimmigen Sätzen einen ganzen Band füllt, kommen Niederländer des 16. Jahr-
hunderts wie Anton Brumel und Orlando di Lasso, Italiener wie Gio. Pierluigi da
Palestrina, Vincenzo Ruffo und Viadana, Spanier wie T. L. da Vittoria, Portugiesen
wie der musikbegeisterte Joan IV. und Deutsche wie der tüchtige in Augsburg
tätige Gregor Aichinger zum Wort, ein paar italienische Meister des 18. Jahrhunderts
wie Lotti, Pisari und Gio Batt. Martini nicht zu vergessen. Schmids reichlich hinzu-
gefügte feinsinnige Vortragsbezeichnungen bringen die Werke zu schöner Wirkung,
beeinträchtigen aber etwas das Flächenhafte der alten Kunst. Die hervorragende
Druckausstattung ist voll und ganz anzuerkennen.

Berlin-Friedenau. Johannes Wolf.

Ernst Rabich, Die Entwicklung der Oper. Langensalza, Beyer & Söhne
(Beyer & Mann). 80 S. 2,20 M.

Verfasser gibt mit seiner für Laien und Musikfreunde bestimmten Schrift einen
leichtbekömmlichen Extrakt aus der allgemeinen Geschichte der Oper. Die gewissen-
hafte Darstellung führt von den Opernanfängen, deren Verständnis die Beigabe von
Notenbeispielen erleichtert, zu den wichtigsten Meistern und Opernzentren Mittel-
europas und gipfelt in der Parallele Gluck-Wagner. Eine Zusammenstellung der
Uraufführungen aus der jüngsten Gegenwart dürfte besonders willkommen sein.

Freilich sehen wir heute manches, namentlich seit den Forschungen des unver-
geßlichen Hermann Abert, von einer anderen, neuen Seite, wie z. B. das Verhältnis
von Dichter und Komponisten in der »Barockoper«. Der Dichter hatte sich ja vor
dem Musiker zu beugen und bot diesem nur ein Gerippe; die Musik entstand also
ohne Text, während die Worte den Arienmelodien unterlegt wurden. So nimmt es
nicht wunder, wenn die Handlung Widersinniges und Minderwertiges bot, wenn
Logik, psychologische und individuelle Charakteristik und eine Fortentwicklung der
Charaktere fehlte. Gegenstand der Handlung bildeten meistens zwei unglückliche
Liebespaare. Für den Verlauf der Oper waren bestimmte Szenentypen feststehend.
So wurde die Oper zur Klischeeoper. Dasselbe gilt von der Musik. Die Komposition
der Rezitalive ließ man oft untergeordnete Musiker ausführen. Die Arien, die die
musikalischen Höhepunkte brachten, auch wenn diese nicht mit denen des Dramas
zusammenfielen, ragten wie Tempelsäulen empor und wurden so zum Symbol des
damaligen Strebens ins Hohe, Weite, Ewige, wie es auch im Szenenbild zum Aus-
druck kam. Nicht die Willkür der Primadonnen, sondern der Stil dieser Musikoper
 
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