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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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Laurila, Kaarle Sanfrid: Der ästhetische Eindruck in seinem Verhältnis zu Lust und Unlust
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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0408
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DER ÄSTHET. EINDRUCK IN SEINEM VERHÄLTNIS ZU LUST U. UNLUST. 395

es sich im Werke bekundet. In beiden Fällen ist der Gedanke wohl
genau derselbe, nur in etwas anderen Worten ausgedrückt. Aber in
beiden Formen scheint mir der Einwand unhaltbar. In seiner zweiten
Form ist er eigentlich schon im vorangehenden widerlegt worden. Der
diesem Einwand zugrunde liegende Gedanke ist eine contradictio in adiecto.
Wenn nämlich unter der Form, wie hier, das im Werk zum Vorschein
kommende künstlerische Darstellungsvermögen verstanden wird, dann
ist es ein offenbarer Widerspruch zu behaupten, die aus der Form
herfließende Lust verwandle den unlustvollen Eindruck des Darge-
stellten in sein Gegenteil. Worin besteht denn das künstlerische Dar-
stellungsvermögen? Es besteht, wie wir festgestellt haben, darin, die
eigenen Gefühlseindrücke anderen fühlbar zu machen, sie so auszu-
drücken, daß andere sie mit- oder nachfühlen. Nun ist der Künstler
selbst durch düstere, jammervolle oder sonst negative Lebenserschei-
nungen natürlich niedergedrückt, vielleicht sogar erschüttert und be-
ängstigt, jedenfalls unlustvoll ergriffen worden. Ist er ein Künstler,
dann muß er diese seine unlustvollen Eindrücke so darstellen können,
daß andere eben dieselben Eindrücke bekommen, also auch durch
seine Darstellung niedergedrückt, erschüttert, beängstigt werden. Wer-
den sie es nicht, sondern im Gegenteil erfreut und befriedigt, wie die
Anhänger des Lustdogmas verlangen, dann hat der Künstler durch
seine Darstellung seinen Zweck, der zugleich der Zweck aller Kunst ist,
nicht erreicht. Er ist dann eben kein Künstler. Und sein Talent ist ein
wahrhaftes Danaergeschenk, das direkte Gegenteil von Talent. Es bewirkt
ja eben das Gegenteil von dem, was damit erstrebt wird. Statt andere
ungefähr dasselbe fühlen zu lassen, was der Künstler selbst gefühlt hatte
— wie es der Zweck der Kunst ist —, läßt dieses Talent sie etwas ganz
anderes und sogar Entgegengesetztes fühlen.

Hierzu könnte nun Volkelt allerdings bemerken, daß er die Be-
deutung der aus der künstlerischen Darstellung herfließenden Lust
nicht so gemeint habe. Er sagt ja nicht, daß diese formale Lust die
aus dem Inhalt fließende Unlust in Lust verwandle, sondern ihr nur
»siegreich gegenübertrete«. Der Eindruck des trostlosen Inhalts bleibt
also nach wie vor unlustvoll. Aber dieser unlustvolle Eindruck des
Inhalts wird durch den lustvollen Eindruck der Form überwunden,
oder »überstimmt«.

Hierdurch wird die Sache jedoch nicht besser. Wenn es sich darum
handelt, den Eindruck eines Kunstwerks und dessen Verhältnis zur
Lust und Unlust festzustellen, dann dürfen zu diesem Eindruck nur
diejenigen Gefühle gerechnet werden, welche das Dargestellte selbst
unmittelbar hervorruft. Die Gefühle aber, welche die Darstellung
als solche, d. h. das darin zum Vorschein kommende größere oder
 
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