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FERDINAND JOSEF SCHNEIDER.
Dann erst wird dir tief bewußt, was
du sonst genossen, ohn' es vor dir
geistig klar zu sehen (V, 557).
Der Weltfestgeist hat aber einen viel ausgesprochener intellektua-
listischen Charakter als die Schöpferkraft, an deren Stelle er getreten ist:
der Geist lebt, wie Du weißt, groß und
kühl als Gedanke im Gewühl (V, 572).
Man könnte daher versucht sein, diesen Weltfestgeist Hegels Absolu-
tem gleichzustellen, aber andere Bestimmungen des Dichters lassen ihn
wieder fast kraft-stofflich erscheinen wie etwa das Pneuma der „Stoiker".
Der Weltfestgeist wird auch als die Summe unzähliger Geistatome ange-
sehen. Zu völliger Klarheit gelangen wir freilich nicht, und so läßt sich
auch nicht mit Sicherheit sagen, ob wir uns hier in den Ideenkreisen einer
Pneumatologie von materiellem oder immateriellem Charakter bewegen.
Das andere, das Weltall mit bildende Prinzip ist das Gefühl. Ist
der Geist das rationale, bewußt handelnde, so das Gefühl das irratio-
nale, unbewußt handelnde Prinzip. Es hat weiblichen Charakter, wie
der Geist männlichen. Unklar bleibt, wie es aus dem Geiste entsteht,
natürlich nicht im Sinne eines zeitlichen Hervorgehens, denn es ist so
ewig gedacht als der Geist. Jedenfalls besteht zwischen dem rationalen
und irrationalen Weltprinzip das Gattenverhältnis, das dann im irdisch-
realen Geschlechterverhältnis sein getreues Abbild findet. Geist und Ge-
fühl sind eng aneinander geschmiedet durch die Liebe. Sie erst stellt
die schöpferische Einheit zwischen dem rationalen und irrationalen Prin-
zip her und diese Einheit offenbart sich dann in dem alles durchströ-
menden, verbindenden und tragenden „Liebesgeist in Ewigkeit":
In der Liebe, tief entzückt, sind die
zwei, der Zeit entrückt, einiger
Geist der Ewigkeit, Liebesgeist der Ewigkeit (V, 555).
So ist die Liebe denn das dritte und als Synthese von Geist und Gefühl
reichhaltigste Weltprinzip in Dauthendeys Philosophie. Weit einleuch-
tender als in der Selbstbiographie wird uns demnach im Epos die zentrale
Machtstellung der Liebe im Weltall durch ihre kosmogonische Bedeu-
tung erklärt. Das Gefühl kann nun aber in doppelter Gestalt auftreten;
es muß entweder bejahen oder verneinen, Lust oder Leid sein (V, 558).
Beide sind Licht und Falten auf dem geistigen Kleide, das wir unbewußt
tragen (V, 556), und aus diesem metaphysischen Ursprung des Leides
folgt denn auch wieder:
......Weltallfestlichkeit,
sie besteht aus Lust und Leid (V, 558).
FERDINAND JOSEF SCHNEIDER.
Dann erst wird dir tief bewußt, was
du sonst genossen, ohn' es vor dir
geistig klar zu sehen (V, 557).
Der Weltfestgeist hat aber einen viel ausgesprochener intellektua-
listischen Charakter als die Schöpferkraft, an deren Stelle er getreten ist:
der Geist lebt, wie Du weißt, groß und
kühl als Gedanke im Gewühl (V, 572).
Man könnte daher versucht sein, diesen Weltfestgeist Hegels Absolu-
tem gleichzustellen, aber andere Bestimmungen des Dichters lassen ihn
wieder fast kraft-stofflich erscheinen wie etwa das Pneuma der „Stoiker".
Der Weltfestgeist wird auch als die Summe unzähliger Geistatome ange-
sehen. Zu völliger Klarheit gelangen wir freilich nicht, und so läßt sich
auch nicht mit Sicherheit sagen, ob wir uns hier in den Ideenkreisen einer
Pneumatologie von materiellem oder immateriellem Charakter bewegen.
Das andere, das Weltall mit bildende Prinzip ist das Gefühl. Ist
der Geist das rationale, bewußt handelnde, so das Gefühl das irratio-
nale, unbewußt handelnde Prinzip. Es hat weiblichen Charakter, wie
der Geist männlichen. Unklar bleibt, wie es aus dem Geiste entsteht,
natürlich nicht im Sinne eines zeitlichen Hervorgehens, denn es ist so
ewig gedacht als der Geist. Jedenfalls besteht zwischen dem rationalen
und irrationalen Weltprinzip das Gattenverhältnis, das dann im irdisch-
realen Geschlechterverhältnis sein getreues Abbild findet. Geist und Ge-
fühl sind eng aneinander geschmiedet durch die Liebe. Sie erst stellt
die schöpferische Einheit zwischen dem rationalen und irrationalen Prin-
zip her und diese Einheit offenbart sich dann in dem alles durchströ-
menden, verbindenden und tragenden „Liebesgeist in Ewigkeit":
In der Liebe, tief entzückt, sind die
zwei, der Zeit entrückt, einiger
Geist der Ewigkeit, Liebesgeist der Ewigkeit (V, 555).
So ist die Liebe denn das dritte und als Synthese von Geist und Gefühl
reichhaltigste Weltprinzip in Dauthendeys Philosophie. Weit einleuch-
tender als in der Selbstbiographie wird uns demnach im Epos die zentrale
Machtstellung der Liebe im Weltall durch ihre kosmogonische Bedeu-
tung erklärt. Das Gefühl kann nun aber in doppelter Gestalt auftreten;
es muß entweder bejahen oder verneinen, Lust oder Leid sein (V, 558).
Beide sind Licht und Falten auf dem geistigen Kleide, das wir unbewußt
tragen (V, 556), und aus diesem metaphysischen Ursprung des Leides
folgt denn auch wieder:
......Weltallfestlichkeit,
sie besteht aus Lust und Leid (V, 558).