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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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Noack, Hermann: Das Spiel: über die Versuche seiner Erklärung und die Aufgaben seiner Sinndeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0121

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DAS SPIEL.

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der betreffenden wirklichen Tätigkeit bietet, entsteht eine bloße Nach-
ahmung dieser Tätigkeit — und das ist das Spiel."

Groos wendet zuerst gegen den letzten Punkt ein, daß zwar die
Nachahmung „eine große Bedeutung für viele Spiele besitzt", aber
sich gerade auf die „erste, elementarste und reinste Erscheinung des
Spiels", nämlich das der jungen Tiere und der Kinder, in keiner Weise
anwenden läßt. Spiele dieser Art sind vielmehr als eine „Vorübung"
anzusehen. Deshalb streitet Groos auch gegen W u n d t, der die Spiele
als eine das Gemüt erfreuende, aber ihrer ursprünglichen Zwecke ent-
kleidete Nachahmung von Handlungen des praktischen Lebens ansieht13).
Wenn Wundt ferner an anderer Stelle14) sagt, „das Spiel ist das Kind
der Arbeit. Es gibt keine Form des Spiels, die nicht in einer Form
ernster Beschäftigung ihr Vorbild fände, welches naturgemäß auch der
Zeit nach ihm vorausgeht", so werden wir der Ablehnung beipflichten,
wenn wir mit Groos in den einfachsten Bewegungsspielen des „Experi-
mentierens", der „Ortsveränderung" u. a. elementaren Formen die „rein-
sten Erscheinungen" des Spieles sehen, weil sie die genetisch „ersten"
sind. Man könnte sie aber auch als Vorformen und Bestandteile kompli-
zierterer „Spiele" betrachten, wenn man, wie Wundt, die Verfolgung
von „S c h e i n z w e c k e n" für ein unerläßliches begriffliches Merkmal
des Spieles hält. Mit der Einführung des Zweckgedankens ist freilich
das methodologische Bedenken gegen jede Interpretation tierischen Ver-
haltens verbunden, welche den Begriff der Zwecksetzung auf Vorgänge
der biologischen „Zweckmäßigkeit" überträgt. Benutzt man also den
Zweckbegriff zur Unterscheidung des „ernsten" und „spielenden" Tuns,
so ist man zunächst an menschlichen Verhältnissen orientiert. Schon
diese Überlegung macht also klar, daß jede Spieltheorie sich entschei-
den muß, von wo sie ihren Ausgang nehmen will. Der Sprachgebrauch
erlaubt uns auch, nur die „höheren" menschlichen Formen als „eigent-
liches" und „reines" Spiel zu bezeichnen, und dann das ähnliche Ver-
halten der Tiere in privativer Auslegung zum „Spielen" zu rechnen, mit
derselben Reserve und Einschränkung, mit der wir auch sonst in der
Tierpsychologie nach Gesichtspunkten urteilen, die vom menschlichen
Erleben hergenommen sind1").

«) W. Wundt, „Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele". Lpzg. 1922.
") W. Wundt, „Ethik". » 1923, S. 176ff. — Vgl. auch „Völkerpsychologie" HL
Leipzig 1914.

15) In einzelnen Fällen, z. B. bei sog. „Bewegungsspielen" der Fische, schließt
Q r o o s sich selbst dieser skeptischen Zurückhaltung an (vgl. „Spiele der Tiere",
S. 98 ff.). Er schreibt:

„Ist das wahr? — handelt es sich hier nicht nur um einen Akt ästhetischer
»Einfühlung«? Um ein praktisches »Leihen« dessen, was wir selbst fühlen, wenn
wir die flinken Bewegungen der zierlichen Geschöpfe »innerlich nachahmen«?"
 
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