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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0282
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268

Scheingeburt.

Die älteste Passung des Hiranyagarbha-Ritus finden wir in
einem der Parisistas (Anhänge, Ergänzungen) zum Atharvaveda.1
Das 13. Parisista führt den Titel Hiranyagarbhavidhi und enthält
das Ritual für eine Zeremonie, die die ,Vereinigung des Königs mit
Hiranyagarbha, dem goldenen Embryo4, bezweckt. Die Herausgeber
der Parisistas schildern die Zeremonie in ihren Hauptzügen wie
folgt: ‘The king is washed over a golden vessel with water containing
pancagavya2 and the leavings of the offering, and poured from
golden jars; he is then shut up in a golden vessel3 and left
to meditate upon Hiranyagarbha; afterwards he is taken out and
pressed down again with a golden wheel; the Brahmans declare
that he has been accepted by Hiranyagarbha’. Zum Schluß heißt
es, daß die Brahmanen, die bei dem Ritus assistieren, den üblichen
,Opferlohn4 erhalten sollen. Aber davon ist noch keine Rede,
daß das goldene Gefäß, wie es später der Fall war oder noch heute
der Fall ist, zerschlagen und an die Brahmanen verteilt werden
muß. Erst später wurde, um mich so auszudrücken, aus dem
Hiranyagarbha-Ritus eine Hiranyagafbha-Schenkung (Hiranya-
garbhadäna). Und so ist es, wie ich meine, zu erklären, daß der
Hiranyagarbha unter die 16 ,großen Geschenke4 (mahädänäni)
anfgenommen wurde. Geschenke spielen im religiösen Leben der
Inder eine große Rolle; die Berechtigung zum Empfang von Ge-
schenken bildet das wichtigste Privileg der Brahmanen. Je wert-
voller das Geschenk, desto größer der Himmelslohn.4 An der Spitze
der 16 großen Geschenke steht der Tuläpurusa (Tuläbhära), d. h.
1) Über diese Parisistas vergleiche man M. Bloomfield, The Atharvaveda,
Straßburg 1899, S. 16f.; J. von Negelein, Orientalistische Literaturzeitung 11,
447 — 456. Eine Ausgabe der Parisistas ist begonnen worden von G. M. Bölling
und v. Negelein (Teil 1, Leipzig 1909).
2) D. h. die 5 (panca) Dinge von der Kuh: Milch, saure Milch, Butter,
Harn und Kot, denen eine außerordentliche reinigende Wirkung zugeschrieben
wird; Dubois, Hindu manners p. 42f. 154f. 196f. W. Crooke, Populär religion
2, 28. J. Jolly, Recht und Sitte § 37. Noch heute wird beim Hiranyagarbha-Ritus
das goldene Gefäß mit dem pancagavya angefüllt; siehe S. Mateer, Native Life in
Travancore 1883 p. 130. 389.
3) Man sehe das Titelbild ‘Procession of golden tub' in dem eben
zitierten Buche von S. Mateer. Was die goldene Kuh angeht, so ist davon in
den mir bekannten Sanskrittexten keine Rede. Doch gibt es z. B. einen Tila-
dhenuvidhi, d. h. einen Ritus (der Schenkung) einer Kuh, die künstlich, aus Sesam,
hergestellt wird; und . dergleichen mehr.
4) Nach J. Jolly, Recht und Sitte, Straßburg 1896, § 31, wo man Näheres
über die 16 großen Geschenke finden kann.
 
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