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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0283
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Scheingeburt.

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das Wegschenken von ,Gold oder anderen Kostbarkeiten im Gewicht
eines Mannes an zweiter Stelle steht der Hiranyagarbha. Über
die Geschenke handeln eine ganze Reihe von indischen Schriften.
Die wichtigsten Stellen daraus hat Hemädri (zwischen 1260 und
1309 n. Chr.) ausgezogen und zu einem Bande, dem Dänakhanda1,
vereinigt. Auf eine genauere Darstellung des Hiranyagarbha nach
den späteren Sanskritschriften kann ich mich hier nicht einlassen.
Im ganzen und großen deckt sich der Ritus mit dem Ritus, der
im Atharva-Parisista 13 vorgeschrieben wird. Eine Einzelheit aber,
von der wir im Parisista nichts erfahren, — eine Einzelheit, die
für unsere Untersuchung von der größten Wichtigkeit ist, muß be-
sonders hervorgehoben werden. Während die Person, die sich dem
Ritus unterwirft, in dem Gefäß2 sitzt, werden die sogenannten
Schwangerschaftszeremonien, vom Garbhädhäna ab, von den
Priestern vollzogen; und wenn die Person aufgestanden und aus
dem Gefäß herausgekommen ist, werden die Geburtszeremonien
verrichtet.3 Es ergibt sich nun die interessante Tatsache — eine
Tatsache, auf die meines Wissens noch niemand mit voller Schärfe
hingewiesen hat: daß der Hiranyagarbha-Ritus fast ganz genau über-
einstimmt mit dem indischen Ritus, der mit einer totgesagten, in
effigie bestatteten, aber wider Erwarten zurückkehrenden Person
vorgenommen wird. Man vergleiche nur die Darstellung dieses
Ritus, die W. Caland nach den indischen Quellen, die er wie kein
anderer beherrscht, gegeben hat.4
Die Nacht nach seiner Rückkehr wird der Totgesagte in eine mit
flüssiger Butter und Wasser gefüllte Wanne eingeschlossen. Sein Vater
oder dessen Stellvertreter rezitiert einen vedischen Spruch, aus dessen
Inhalt hervorgeht, daß die Wanne als Mutterschoß angesehen wurde.
Der Eingeschlossene bringt die Nacht, wie ein Embryo im Mutterschoß
1) Dieser Band, ein Teil des ,imposanten1 Caturvargacintämani, umfaßt in
der gedruckten Ausgabe (Calcutta 1873) nicht weniger als 1056 Seiten. Vom
Hiranyagarbha handelt -Hemädri auf S. 218 — 232. Zum ersten Male erschien,
soviel ich weiß, eine Darstellung des Hiranyagarbha in dem zu wenig beachteten
enzyklopädischen Wörterbuch Sabdakalpadruma u. d. W. Hiranyagarbha.
2) Sanskrit kunda ,Krug, Topf1; soll die Gestalt einer Trommel haben;
also etwa ,Tonne, Wanne1.
3) Über diese Zeremonien vgl. A. Hiilebrandt. (Indische) Ritualliteratur
S. 41 ff.; J. Jolly, Recht und Sitte § 56.
4) Die altindischen Toten- und Bestattungsgebräuche, Amsterdam 1896,
S. 89; Der Urquell 1898, 193 f. Die von Caland benutzten Quellen sind mir nicht
zugänglich.
 
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