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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0034

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Von Julius Meyer.

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sondern nur mehr oder minder gefällige Erzeugnisse einer fertigen Hand. Für diese Kunst
ist die flüchtig bravonrmäßige Behandlung charakteristisch, in der sich die Subjektivität mit
bewußtem Anspruch auf geniale Schaffenskraft gleichsam hinauswirft, um in kecker Pinsel-
führung ihre ungebundene Meisterschaft zu bewähren: ein Erbtheil der romantischen Schule,
die gleich Anfangs mit skizzenhaftem Vortrag gern den Schein der Virtuosität sich gab. Es
ist nur die Rückseite dieser Darstellungsweise, wenn ein anderer kleinerer Theil, dessen
namhaftester Vertreter Gerome ist, die größte Sorgfalt verwendet auf eine glatte und zier-
liche Vollendung. Hier soll der künstlerische Rei; in der meisterlich durchgeführten, mit
allen technischen Mitteln ausgearbeiteten Erscheinnng liegen, hinter der das Werk der sub-
jektiven Hand völlig verschwindet, um dem Auge den Schein der Dinge wie aus einem
Stück gegossen vorzuhalten.
Und so ist die neueste französische Malerei mit wenigen Ausnahmen — wovon später
— ohne Begeisterung für irgend einen Inhalt, ohne Ideal, ohne den belebenden Trieb
einer erfüllten Phantasie. Sie selber, im vollen Bewußtsein ihrer Fertigkeit, brüstet sich
damit, daß es ihr auf den Gegenstand und seinen Werth gar nicht ankomme, daß sie viel-
mehr ihr malerisches Geschick mit gleichem Erfolg an dem Faltenwurf von Sammt und
Seide, wie an dem Kopf eines Helden zu bewähren wisse. Mit überlegener Verachtung
sieht sie auf den Laien herab, der sich für den Stoff noch zu interessiren vermag; über
Alles gilt ihr die Meisterschaft, mit der das Grün einer Wiese, das Roth eines Gewandes
n. s. f. zn einer vollen, die Natur überbietenden Wirkung hingesetzt ist, eine Hauptrolle
spielt nun die Breite und Saftigkeit des „Traktaments". Im Rückschlag gegen die Empfind-
samen unter den Romantikern, die alle Gestalt in den nebelhaften Ausdrnck erregter Seele
auflösten, gegen die Idealisten, die oft allzn wörtlich die Malerei als Versinnlichung von
Ideen faßten oder doch den Rhythmus der vergeistigten Linie über Alles setzten, gegen die
historische Richtung endlich, welche zu leicht den geschichtlichen Werth der Weltbegebenheit
auch zum ästhetischen Maß nahm — im Rückschlag gegen alle diese, die sich nicht selten
einen Ueberschuß des Inhalts über die Form zu Schulden kommen ließen, ist nun den
jungen Künstlern allein an der äußeren Erscheinnng der Dinge gelegen, wie sie farbig im
Lichte des Tages spielt. Ihr flüchtiges Scheinen mit der Zanberruthe des Pinsels zn
fassen, das gilt nun als das große Geheimniß der Malerei. Oder falls es ihnen noch nm
die Zeichnung zu thun ist, halten sie sich vorab an die natürliche Schönheit des mensch-
lichen Leibes und suchen mit dem Rei; sinnlicher Formen, über die sie den dünnen Schleier
einer mythischen Idealwelt werfen, das Auge zu berücken.
Unstreitig leidet diese ganze Malerei an Materialität. Auf das Handwerk ist sie vor
Allem bedacht nnd kaum noch auf den Ausdruck inneren Lebens. Zum Theil hat sie sogar
das Verständniß verloren für das seelische Element, das in der Farbe als solcher liegt;
nur zu oft gilt ihr mehr die saftige sinnliche Fülle des einzelnen Tons und der rauschende
Zusammenklang der Farben, als das geheimnißvolle Stimmungsleben, das im farbigen
Schein leuchtend an den Tag schlägt. Deutlicher noch verräth sich ihre innere Armuth in
der Erfindung und in der Komposition. Die Geschichte erscheint ihr als ein zu schwerer
und der Kunst widerspenstiger Stoss; die Idealwelt ist für sie geist- und gottverlassen, nur
noch ein Magazin gleichsam schöner Hüllen; die Wirklichkeit aber nimmt sie, wie sie sich
findet, und thut nur wenig, ihr Leben künstlerisch zu steigern, die wesentlichen lebenbilden-
den Züge aus den zufälligen Trübungen läuternd und abrundend hervorzuheben. Daher
ist sie vor Allem stillos. Denn der Stil ist ja eben dieses innige Verschmelzen der sub-
jektiven Anschauung mit der Welt, woraus die lebensvolle Macht ihres Wesens, neugeboren
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