Von Iulius Meyer.
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Preisausschreibens, das die Regierung, und zwar für eine allegorische Darstellung der
jungen Republik, erließ. Keiuer der Skizzen, worunter auch solche von namhaften Meistern,
konnte man den Preis zuerkennen. Der Vorwurf freilich war schon darnach; der Franzose
hat von jeher mit dem alten Römer das gemein, daß er gern mit gemachtem Enthusias-
mus abstrakte Begrisse sich in idealen Gestalten verkörpert. Ein so leeres und ungehobeltes
Wesen vollends, wie der noch in den Windeln zappelnde Freistaat war, ließ sich so leicht
nicht in eine lebendige Form kleiden- Auch hatten sich die Hervorragenden Meister der Auf-
gabe euthalten. Sie Hatteu alle mehr oder minder das Gefühl, daß die Zeit ihrer Herr-
schaft vorüber fei; im Stillen arbeiteten sie fort, wenig bekümmert um den Beifall des
Publikums und um die raschen Umschläge der allgemeinen Stimmung nur ihren eigenen Bahnen
folgend. Die Zeit war schon über sie hinaus oder lief vielmehr nun andere Wege, auf's
Gerathewohl und nach den verschiedensten Richtungen. Daher stehen mit ihr jene Meister,
deren eigentliche Bedeutung in frühere Perioden fällt, nur in loser Berührung. Sie
schlossen sich selber von ihren Zeitgenossen ab, und hatten sie sich schon vorher von den
Ausstellungen ferngehalten, ihre Schulen aufgegeben, so wandten sie sich nnn, in der Re-
publik und unter dem Kaiserreich, um so entschiedener vom Markt der Knnst ab. Zum
Theil war auch ihre eigene Zeit um, wie sich dessen z. B. Horace Vernet mit stillem Gram
bewußt war. Und so trat denn auch bald Einer nach dem Anderen mit Tode ab von dem
lärmenden Schauplatz, in dessen Hintergrund sie sich schon vordem zurückgezogen Hatten.
Znerst Delaroche (1856), ihm folgte Ary Scheffer (1858), daun Decamps (1860), endlich
Delacroix, H. Vernet (beide 1863) nnd H. Flandrin (1864). Der einzige Ingres, ragt
als rüstiger Greis mit unermüdlichem Schaffen bis in die jüngsten Tage, bei der Strenge
seines von der Wirklichkeit abgewendeten Idealismus die modernste Kunst tiefer als je ver-
achtend. Wohl leben neben ihm noch als kleinere Helden ans jenem großen Künstlerge-
schlechte Robert-Fleury uud Gleyre. Jener der talentvolle Vertreter des romantischen
Geschichtsbildes, das durch ergreifeude und farbenwarme Charakteristik affektvoller Momente
ans bewegten Zeiten auf Erschütterung des Gemüths ausging, anch in seinen neuesten
Werken noch tüchtig, aber nun nicht mehr getragen von der Zeitstimmnng, die gleichgültig
ist gegen diese Grenelbilder im malerischen Kostüm der Vergangenheit. Der Andere ein
Mann von reiner und idealer Anschauung, der nach dem Vorgänge Ingres' zum Prinzip
seiner Schule die Formenschönheit nach dem Vorbilde der Antike und der italienischen Re-
naissance machte, aber schon von Natnr aus von schwerer Schaffenskraft und daher um so
mehr gelähmt und zurückgedrängt von den ungünstigen Bedingungen seiner Epoche.
Wie hätten auch jene Meister die anarchischen Strömungen anfhalten können, welche
nun die Kunst überflutheten. Es war ein Bild ihrer inneren Zustände, so wie ein Merk-
zeichen der jungen Republik, daß die Ausstellung von 1848 keinerlei Jury für die Zu-
lassung der Werke aufstellte, vielmehr selbst den schülerhaftesten Stümperversnchen ihre
Räume uud so, in falschem Verständniß der Freiheit, der Willkür und Laune des Einzelnen
Thür und Thor öffnete. Das war die social-demokratische Anschauung auf die Kunst über-
tragen: Jeder, der einen Pinsel führt, ist ebendeßhalb auch Maler uud nach dem Prinzip
der Gleichheit hat neben dem Meister der „rupiir" seinen gleichberechtigten Platz. Das
konnte nun freilich nicht so fortgehen; denn in der Kunst springt die Unfähigkeit, die in
der Politik wohl eine Zeit lang ihr heimliches Wesen treiben kann, sofort an den Tag
und auch dem gewöhulichen Publikum in die Augen. Allein wenn auch für die Ausstellungen
die Jury wieder eingesetzt wurde, die wenigstens die gröbste Spreu auszusondern Hatte, so
blieb doch in der Kunst selber jener Znstand der Anarchie. Erst recht trat nun in den
verschiedensten Manieren und Anschauungen die Zersplitterung hervor; das Feld nahm nnd
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Preisausschreibens, das die Regierung, und zwar für eine allegorische Darstellung der
jungen Republik, erließ. Keiuer der Skizzen, worunter auch solche von namhaften Meistern,
konnte man den Preis zuerkennen. Der Vorwurf freilich war schon darnach; der Franzose
hat von jeher mit dem alten Römer das gemein, daß er gern mit gemachtem Enthusias-
mus abstrakte Begrisse sich in idealen Gestalten verkörpert. Ein so leeres und ungehobeltes
Wesen vollends, wie der noch in den Windeln zappelnde Freistaat war, ließ sich so leicht
nicht in eine lebendige Form kleiden- Auch hatten sich die Hervorragenden Meister der Auf-
gabe euthalten. Sie Hatteu alle mehr oder minder das Gefühl, daß die Zeit ihrer Herr-
schaft vorüber fei; im Stillen arbeiteten sie fort, wenig bekümmert um den Beifall des
Publikums und um die raschen Umschläge der allgemeinen Stimmung nur ihren eigenen Bahnen
folgend. Die Zeit war schon über sie hinaus oder lief vielmehr nun andere Wege, auf's
Gerathewohl und nach den verschiedensten Richtungen. Daher stehen mit ihr jene Meister,
deren eigentliche Bedeutung in frühere Perioden fällt, nur in loser Berührung. Sie
schlossen sich selber von ihren Zeitgenossen ab, und hatten sie sich schon vorher von den
Ausstellungen ferngehalten, ihre Schulen aufgegeben, so wandten sie sich nnn, in der Re-
publik und unter dem Kaiserreich, um so entschiedener vom Markt der Knnst ab. Zum
Theil war auch ihre eigene Zeit um, wie sich dessen z. B. Horace Vernet mit stillem Gram
bewußt war. Und so trat denn auch bald Einer nach dem Anderen mit Tode ab von dem
lärmenden Schauplatz, in dessen Hintergrund sie sich schon vordem zurückgezogen Hatten.
Znerst Delaroche (1856), ihm folgte Ary Scheffer (1858), daun Decamps (1860), endlich
Delacroix, H. Vernet (beide 1863) nnd H. Flandrin (1864). Der einzige Ingres, ragt
als rüstiger Greis mit unermüdlichem Schaffen bis in die jüngsten Tage, bei der Strenge
seines von der Wirklichkeit abgewendeten Idealismus die modernste Kunst tiefer als je ver-
achtend. Wohl leben neben ihm noch als kleinere Helden ans jenem großen Künstlerge-
schlechte Robert-Fleury uud Gleyre. Jener der talentvolle Vertreter des romantischen
Geschichtsbildes, das durch ergreifeude und farbenwarme Charakteristik affektvoller Momente
ans bewegten Zeiten auf Erschütterung des Gemüths ausging, anch in seinen neuesten
Werken noch tüchtig, aber nun nicht mehr getragen von der Zeitstimmnng, die gleichgültig
ist gegen diese Grenelbilder im malerischen Kostüm der Vergangenheit. Der Andere ein
Mann von reiner und idealer Anschauung, der nach dem Vorgänge Ingres' zum Prinzip
seiner Schule die Formenschönheit nach dem Vorbilde der Antike und der italienischen Re-
naissance machte, aber schon von Natnr aus von schwerer Schaffenskraft und daher um so
mehr gelähmt und zurückgedrängt von den ungünstigen Bedingungen seiner Epoche.
Wie hätten auch jene Meister die anarchischen Strömungen anfhalten können, welche
nun die Kunst überflutheten. Es war ein Bild ihrer inneren Zustände, so wie ein Merk-
zeichen der jungen Republik, daß die Ausstellung von 1848 keinerlei Jury für die Zu-
lassung der Werke aufstellte, vielmehr selbst den schülerhaftesten Stümperversnchen ihre
Räume uud so, in falschem Verständniß der Freiheit, der Willkür und Laune des Einzelnen
Thür und Thor öffnete. Das war die social-demokratische Anschauung auf die Kunst über-
tragen: Jeder, der einen Pinsel führt, ist ebendeßhalb auch Maler uud nach dem Prinzip
der Gleichheit hat neben dem Meister der „rupiir" seinen gleichberechtigten Platz. Das
konnte nun freilich nicht so fortgehen; denn in der Kunst springt die Unfähigkeit, die in
der Politik wohl eine Zeit lang ihr heimliches Wesen treiben kann, sofort an den Tag
und auch dem gewöhulichen Publikum in die Augen. Allein wenn auch für die Ausstellungen
die Jury wieder eingesetzt wurde, die wenigstens die gröbste Spreu auszusondern Hatte, so
blieb doch in der Kunst selber jener Znstand der Anarchie. Erst recht trat nun in den
verschiedensten Manieren und Anschauungen die Zersplitterung hervor; das Feld nahm nnd