Von Julius Meyer.
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nach der aufreibenden Arbeit des blutigen Tages die stille Freude des Sieges in deu Heim-
gekehrten, aber gedämpft durch das Audeuken au die gefalleueu Kameradeu. Beide Male
fühlt sich der Beschauer ganz in deu lebendigen Moment versetzt und mitergrisfen von den
dunklen Geschicken des Kriegslebens. Denn Protais versteht sich auf jeue uubefaugene
Natürlichkeit der Darstellung, die auch die zufälligen Züge trifft und doch das Ganze mit
dem Ausdruck der erregteu Seele sättigt. Ja, in letzter Hinsicht geht er öfters zu weit,
indem er in seine Figuren eine Weichheit der Empfindung legt, die sich mit dem Geschäft
und der Derbheit dieser Gesellen nicht recht vertragen will.
IV.
Äie Genremalerei.
Mit einem Ueberblick, der nnr die namhaftesten Meister heranshebt, müssen wir nns
diesmal begnügen. So reich und so vielseitig wie kein anderer Zweig der Kunst Haben sich
Sittenbild sowohl als Landschaft in den letzten Jahrzehnten ausgebildet; nach Dutzenden
zählen in ihnen die Künstler, welche Feinheit der Beobachtung mit malerischem Talent nnd
Geschick der Behandlung verbinden. Ihre gemeinsamen Eharakterzüge hat schon der erste
dieser Artikel angegeben. Was zunächst das Genrebild anlangt, so sind je nach dem Stoff-
kreise, worin es sich bewegt, seine verschiedenen Arten zn sondern. Die ganze Weite und
und Mannigfaltigkeit des menschlichen Kleinlebens hat es umspannt, sowohl in allen Epochen
seiner historischen Vergangenheit als in seiner gegenwärtigen Realität. Und auch diese
erfaßt es iu ihrer gauzen Ausdehnung, wie sie bald in der nächsten Nähe, bald nnter den
verschiedensten Himmelsstrichen dem reiselustigen Spürsinn der Zeit sich enthüllt. Denn
wie wenn es den Zanbermantel des Or. Faust besäße, hat das Jahrhuudert alle Räume
und alle Zeiten durchmessen. Was es auf seiuen Wanderungeu einsammelt, bald im Fluge
erhascht, bald mit mühsamer Forschung ausgräbt, Alles ist zum Stoff für die Genremalerei
geworden. Dabei geht ihr die Darstellungsweise leicht von der Hand. Die Früchte der
vorangegangenen Schulen weiß sie mit flinkem Pinsel zu Leuutzen, und unschwer beherrscht
sie den Stoff, da sie mit realistischer Fertigkeit ihn ordnet, wie es ihr die Beobachtung
nach dem Leben einfach an die Hand giebt. Das Interesse des Inhalts aber, das bei
ihr nur oberflächlich haftet, läßt sie zurücktreten gegen die Reize des malerischen Vortrags.
Als Nachklang jener Kunstweise, welche in der Geschichte ein neues Feld gefunden, ist
das historische Sittenbild noch immer reichlich vertreten. In zweierlei Form: sofern
es nämlich bestimmte Persönlichkeiten in traulichen Monienten, den Helden in seinen vier
Wänden belauscht, oder namenlose Menschen, die Gattung gleichsam vergangener Jahr-
hunderte im stillen Verlaus des alltäglichen Lebens vergegenwärtigt. In beiden Fällen ist
die Hauptsache die malerische Erscheinuugsform, Geräthe uud Kostüm in der farbigen Fröh-
lichkeit früherer Zeiten, andrerseits der Charakter eines hinabgegangenen Geschlechts in den
Typen, dem Treiben uud Gefahreu der Individuen. Obenan steht hier Charles Comte,
der talentvolle Schüler Robert-Fleurists. Mit Vorliebe schildert er die üppige Zeit der
Renaissauce, die Epoche Franz' I. und Heinrich's III. Das vornehme Wesen der königlichen
Personen in den stillen Stunden vor oder nach entscheidenden Katastrophen, sowohl das
äußere Gewand der Zeiten als die Charaktere nach dem Schnitt ihres Jahrhunderts weiß
er einfach und natürlich zu treffen. Seine Figuren sind keine Theaterhelden mit blinkendem
Flitter; Sammt und Seide tragen sie mit Anstand, menschlich geben sie sich nnd zugleich
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nach der aufreibenden Arbeit des blutigen Tages die stille Freude des Sieges in deu Heim-
gekehrten, aber gedämpft durch das Audeuken au die gefalleueu Kameradeu. Beide Male
fühlt sich der Beschauer ganz in deu lebendigen Moment versetzt und mitergrisfen von den
dunklen Geschicken des Kriegslebens. Denn Protais versteht sich auf jeue uubefaugene
Natürlichkeit der Darstellung, die auch die zufälligen Züge trifft und doch das Ganze mit
dem Ausdruck der erregteu Seele sättigt. Ja, in letzter Hinsicht geht er öfters zu weit,
indem er in seine Figuren eine Weichheit der Empfindung legt, die sich mit dem Geschäft
und der Derbheit dieser Gesellen nicht recht vertragen will.
IV.
Äie Genremalerei.
Mit einem Ueberblick, der nnr die namhaftesten Meister heranshebt, müssen wir nns
diesmal begnügen. So reich und so vielseitig wie kein anderer Zweig der Kunst Haben sich
Sittenbild sowohl als Landschaft in den letzten Jahrzehnten ausgebildet; nach Dutzenden
zählen in ihnen die Künstler, welche Feinheit der Beobachtung mit malerischem Talent nnd
Geschick der Behandlung verbinden. Ihre gemeinsamen Eharakterzüge hat schon der erste
dieser Artikel angegeben. Was zunächst das Genrebild anlangt, so sind je nach dem Stoff-
kreise, worin es sich bewegt, seine verschiedenen Arten zn sondern. Die ganze Weite und
und Mannigfaltigkeit des menschlichen Kleinlebens hat es umspannt, sowohl in allen Epochen
seiner historischen Vergangenheit als in seiner gegenwärtigen Realität. Und auch diese
erfaßt es iu ihrer gauzen Ausdehnung, wie sie bald in der nächsten Nähe, bald nnter den
verschiedensten Himmelsstrichen dem reiselustigen Spürsinn der Zeit sich enthüllt. Denn
wie wenn es den Zanbermantel des Or. Faust besäße, hat das Jahrhuudert alle Räume
und alle Zeiten durchmessen. Was es auf seiuen Wanderungeu einsammelt, bald im Fluge
erhascht, bald mit mühsamer Forschung ausgräbt, Alles ist zum Stoff für die Genremalerei
geworden. Dabei geht ihr die Darstellungsweise leicht von der Hand. Die Früchte der
vorangegangenen Schulen weiß sie mit flinkem Pinsel zu Leuutzen, und unschwer beherrscht
sie den Stoff, da sie mit realistischer Fertigkeit ihn ordnet, wie es ihr die Beobachtung
nach dem Leben einfach an die Hand giebt. Das Interesse des Inhalts aber, das bei
ihr nur oberflächlich haftet, läßt sie zurücktreten gegen die Reize des malerischen Vortrags.
Als Nachklang jener Kunstweise, welche in der Geschichte ein neues Feld gefunden, ist
das historische Sittenbild noch immer reichlich vertreten. In zweierlei Form: sofern
es nämlich bestimmte Persönlichkeiten in traulichen Monienten, den Helden in seinen vier
Wänden belauscht, oder namenlose Menschen, die Gattung gleichsam vergangener Jahr-
hunderte im stillen Verlaus des alltäglichen Lebens vergegenwärtigt. In beiden Fällen ist
die Hauptsache die malerische Erscheinuugsform, Geräthe uud Kostüm in der farbigen Fröh-
lichkeit früherer Zeiten, andrerseits der Charakter eines hinabgegangenen Geschlechts in den
Typen, dem Treiben uud Gefahreu der Individuen. Obenan steht hier Charles Comte,
der talentvolle Schüler Robert-Fleurists. Mit Vorliebe schildert er die üppige Zeit der
Renaissauce, die Epoche Franz' I. und Heinrich's III. Das vornehme Wesen der königlichen
Personen in den stillen Stunden vor oder nach entscheidenden Katastrophen, sowohl das
äußere Gewand der Zeiten als die Charaktere nach dem Schnitt ihres Jahrhunderts weiß
er einfach und natürlich zu treffen. Seine Figuren sind keine Theaterhelden mit blinkendem
Flitter; Sammt und Seide tragen sie mit Anstand, menschlich geben sie sich nnd zugleich