Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

DOI article:
Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[4]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0167

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Von Julius Meyer.

125

Nacktheit der Gemahlin des Kandaules (1859), oder endlich eine Kleopatra vor Caesar, die
das Gewand von ihren verführerischen Reizen niederfallen läßt. Zweierlei also spielt in
diese Erneuerung des Alterthums, einmal ein antiquarisches Interesse und dann das
Hetärenthum des Demi-monde. Was hilft der Prosa und Unreinheit dieser Zwecke gegen-
über alle Geschicklichkeit, die sich Gerome nicht absprechen läßt, seine Kenntniß der Form,
seine gewissenhafte Arbeit, die elfenbeinerne Glätte der Vollendung? Zu weit ist übrigens
auch diese getriebeu, das Leben wie eingeschnürt und abgeschliffen durch die sorgsam pein-
liche Ausführung.
Durchaus verschieden davon sind die luftigen Phantasiespiele in griechischem Gewande,
welche Lonis Hamon einem immer dankbaren Publikum vorführt. Blasse, aumuthige
Wesen von einer fast traumhaft verschwebenden Zartheit, die ihren modernen Ursprung,
eine gewisse Verwandtschaft mit den Schäferinnen des 18. Jahrhunderts nicht verläugnen,
aber in Chiton und Epiblema eine naive Kindlichkeit sich geben; ansprechend anch sie durch
die Realität der Bewegung und doch wieder verflüchtigt in ein feines graues Tönespiel.
Der gerade Gegensatz zu deu klobigen Gestalten von Courbet und Genossen, zu der derben
Energie ihrer aufdringlichen Erscheinung.

Noch mannigsaltiger als das Sittenbild der Vergangenheit, hat sich nenerdings das
der Gegenwart ausgebildet. Kaum Einen Lebenskreis mag es geben, der nicht, sofern
er nnr irgend sich malerisch anläßt, eine oder gleich eine ganze Anzahl von Darstellern
gefunden hätte. Die namhafteren Meister etwas näher zn charakterisiren, wird wohl die
Pariser Ausstellung die beste Gelegenheit geben.
Was sie schildern ist zumeist das Kleinleben der unteren Volksklassen, das ihnen mehr
Race und malerische Naturwüchsigkeit bietet als die gesitteten Stände. Zwar auch sür die
letzteren, zumal für die kokette Anmuth hübscher Frauen in modischer Kleidung, für die
Behaglichkeit und die eleganten Formen des modernen Daseins haben die Belgier
A. Stevens und Dejonghe, dann der Franzose Tonlmouche einen etwas schmächtigen
und nüchternen, doch immerhin zierlichen Ausdruck gesuuden. Allem die eigeutlicheu Helden
des modernen Genrebildes sind der Maun aus dem Volke uud der Bauersmaun dieser oder
jener Provinz, worin sich noch Trachten und Gebräuche der Altvordern erhalten haben.
Nicht ihre Leiden und Schicksale, die tiefer greifenden Ereignisse ihres beschränkten Daseins,
noch der komische Kontrast mit der gebildeten Welt — wie ihn eine Zeitlang das deutsche
Geurebild gesucht hat — siud Gegenstand der Darstellung, sondern die einfachsten Zustände,
gewöhnliche Werkeltagsmomente, seltener schon Feste, Begräbnisse und Hochzeiten. Den
eigentlichen Reiz soll die franke Natürlichkeit der Erscheinung abgeben, in ihrer Besonderheit
wie ertappt vom Maler und festgehalten, dann das malerische Spiel der Lichtwirkungen
in geschlossenen Stuben oder in Wald und Feld. Und das erreichen unläugbar manche
dieser Meister durch feine Naturbeobachtung und eine Geschicklichkeit der Hand, welche mit
keckem und flüchtigem Griff das Bild gleichsam abznpflücken versteht. Von denen, die das
Leben der niederen Stände überhaupt behandelu, sind insbesondere Arm. Leleux, Th.
Frere, Bonvin, Gide und Sain zu uennen. Aber es haben sich eigene Gattungen
abgezweigt, die sich näher an das Leben besonderer Provinzen Halten. Zumal das Treiben
nnd Gebahren der Bretonen in ihrer noch rauhen urwüchsigen Weise hat einer Anzahl
von Künstlern passende Vorwürfe für eine derbrealistische Behandlung geliefert. Hierin
Haben sich Ad. Leleux, Fortin, Luminais und neuerdings Eugene Leroux Hervor-
Zeitschrift für bildende Kunst. II. 17
 
Annotationen