254
Bonaventura Emler.
eines frühen Todes vielleicht beneidenswerth gegenüber einer langen Jahresreihe voll des quälenden
Bewußtseins unerreichter Ziele. Denn das Zügenglöcklein übt eine eigenthümliche Macht ans die
Gemüther der Menschen; wie es längst entschlafenen Ruhm zu neuem, vielleicht dauerndem Leben er-
weckt, so spiegelt es uns selbst Verdienste vor, die nur in der Zukunft Möglichkeiten ruhten. Diefe
Wirkung aber gewinnt ihre Berechtigung, wenn der Frühverstorbene uns ein Vermächtniß hinterläßt,
das Zeugniß gibt von dem tiefen Ernste feines Strebens, von dem Aufschwünge, dessen seine Kraft
fähig war. Und das gilt in so hohem Maße von der „göttlichen Komödie" Bonaventura Emler's,
daß wir es für unfere Pflicht erachten, an diefer Stelle einige Nachrichten über sein Leben mitzutheilen.
Emler wnrde am l9. Oktober 1831 zu Wien in der Vorstadt Leimgrube geboren und erhielt
in der Taufe den Namen feines Vaters Bonaventnra, eines schlichten Bürgers, der seines Zeichens
Vergolder ist. Das väterliche Gewerbe führte vornehmlich Maler und Geistliche in das elterliche
Haus uud dies fcheiut frühzeitig bestimmend auf die Richtung des begabten Knaben eingewirkt zu Haben.
Ungewöhnliche Talente mußten auch dort uachhelfeu, wo eine Wiener Normalfchule jener Zeit fühl-
bare Lücken ließ, und diesen Mangel an Vorbildung wußte Emler fortwährend durch große Belesen-
heit zu ersetzen. Seit dem Jahre 1846 besuchte der schmächtige blondgelockte Jüngling die Maler-
schule der k. Akademie und hier waren es insbesondere die Vorlesungen Führich's, die einen mäch-
tigen Eindruck auf ihn machten. Diese Vorträge über Kompositionslehre vom streng religiösen
Standpunkte aus versammelten stets einen zahlreichen Kreis von jugendlichen Zuhörern um deu
Meister. Aus ihnen rekrutirte Führich eine Schule, wobei es dem entschiedenen Vertreter kirchlicher
Knnst eben so sehr um die Verpflanzung feiner Weltanschauung zn thnn war, wie nm das Erforderniß
einer strengen Linienführung. Seinen eifrigsten und fähigsten Jünger fand der Altmeister in
Bonaventura Emler, dessen Geist, genährt an der Lektüre von Kirchenvätern und Mystikern, auch
jeuem Ideale nachstrebte, Kunst, Religion und Leben zu eiuem Ganzeu zn gestalten.
Dies Streben führte den Suchenden bald aus die göttliche Komödie Dante's. Das Weseu
dieses gewaltigen Denkmals mittelalterlichen Geistes, ja selbst die phantastischen Dunkelheiten Dante's
sagten dem grübelnden Charakter des Künstlers so sehr zu, daß ihr Studium und ihre bildliche Dar-
stellung, so zu sageu, zur Hauptaufgabe seiues Lebens wurden. Bereits um das Jahr 1850 begann
Emler die ersten größeren Entwürfe hiezu und seitdem änderte und besserte er daran unermüdlich je
nach den Fortschritten seiner Einsicht, seiner Kenntnisse. Er hatte von vorn herein nicht die Absicht,
eine einfache Illustration des Gedichtes zu geben uud einzelne Motive herauszugreifen, wie wir solche
in den berühmten Kompositionen eines John Flapman, Asmus Carsteus, Bonaventura Genelli
und in der jüngsten Arbeit Gustav Dortz's besitzen. Sein Plan ging vielmehr dahin, in das ganze
Gewebe einzudringen, den Faden der Dichtung mit starker Hand znsammenzufassen und dieselbe in
einem architektonisch gegliederten, ideellen Ganzen zur Erscheinung zn bringen.
Hier müssen wir erwähnen, daß es um jene Zeit anch CarlRahl zuerst vorübergeheud vergönnt
war, an der Wiener Kunstakademie zu wirken. Die Persönlichkeit des genialen Malers übte alsbald
große Anziehungskraft auf die jungen Akademiker, auch auf die Schüler Führich's. Trotz des
tiefeu Gegensatzes der beiden Richtungen wendeten sich auch die jungeu sogenannten „Nazarener"
und insbesondere Emler dem anfgehenden Sterne zu. War doch der Gedanke so schöu und verlockend,
Rahl's Farbe mit Führich's Zeichnung zn vereinigen! Wenn auch dieser Traum nicht lange vorhielt
und Emler speciell sich bald wieder von der zu Heterogenen Weise lossagte, so hatte doch schon diese
slüchtige Anknüpfung die besten Folgen für Emler's Talent; er verdankte derselben nicht blos ein
besseres Verständniß der Farbe, sondern auch eine größere Freiheit in der Konceptiou. Das Gefühl
dieser Förderung ließ denn auch iu Emler die Verehruug für Rahl nie ganz erkalten und trotz alles
Widerstreites ihrer Naturen blieben sie zeitlebens iu einem gewissen Verkehr. Auch Rahl anerkannte
das ernste Streben seines jungen Antipoden nnd bethätigte seine Achtung vor dessen Talent dadurch,
daß er eine Auswahl von Emler's Handzeichnungen aus dessen Nachlasse an sich brachte.
Was die zahlreichen Staffeleibilder Bonaventura Emler's anbelangt, fo finden sich zwei Jugend-
arbeiten noch im Besitze seiner Eltern, nämlich ein Paradies Dante's (5^ hoch) in der ersten Auf-
fassung und Kaiser Friedrich's I. Demüthigung vor Heinrich dem Löwen (etwa 4' hoch 5" breit). Ein
äußerst sorgfältig behandeltes Gemälde, darstellend die Anbetung des Christkindes durch die H. drei
Bonaventura Emler.
eines frühen Todes vielleicht beneidenswerth gegenüber einer langen Jahresreihe voll des quälenden
Bewußtseins unerreichter Ziele. Denn das Zügenglöcklein übt eine eigenthümliche Macht ans die
Gemüther der Menschen; wie es längst entschlafenen Ruhm zu neuem, vielleicht dauerndem Leben er-
weckt, so spiegelt es uns selbst Verdienste vor, die nur in der Zukunft Möglichkeiten ruhten. Diefe
Wirkung aber gewinnt ihre Berechtigung, wenn der Frühverstorbene uns ein Vermächtniß hinterläßt,
das Zeugniß gibt von dem tiefen Ernste feines Strebens, von dem Aufschwünge, dessen seine Kraft
fähig war. Und das gilt in so hohem Maße von der „göttlichen Komödie" Bonaventura Emler's,
daß wir es für unfere Pflicht erachten, an diefer Stelle einige Nachrichten über sein Leben mitzutheilen.
Emler wnrde am l9. Oktober 1831 zu Wien in der Vorstadt Leimgrube geboren und erhielt
in der Taufe den Namen feines Vaters Bonaventnra, eines schlichten Bürgers, der seines Zeichens
Vergolder ist. Das väterliche Gewerbe führte vornehmlich Maler und Geistliche in das elterliche
Haus uud dies fcheiut frühzeitig bestimmend auf die Richtung des begabten Knaben eingewirkt zu Haben.
Ungewöhnliche Talente mußten auch dort uachhelfeu, wo eine Wiener Normalfchule jener Zeit fühl-
bare Lücken ließ, und diesen Mangel an Vorbildung wußte Emler fortwährend durch große Belesen-
heit zu ersetzen. Seit dem Jahre 1846 besuchte der schmächtige blondgelockte Jüngling die Maler-
schule der k. Akademie und hier waren es insbesondere die Vorlesungen Führich's, die einen mäch-
tigen Eindruck auf ihn machten. Diese Vorträge über Kompositionslehre vom streng religiösen
Standpunkte aus versammelten stets einen zahlreichen Kreis von jugendlichen Zuhörern um deu
Meister. Aus ihnen rekrutirte Führich eine Schule, wobei es dem entschiedenen Vertreter kirchlicher
Knnst eben so sehr um die Verpflanzung feiner Weltanschauung zn thnn war, wie nm das Erforderniß
einer strengen Linienführung. Seinen eifrigsten und fähigsten Jünger fand der Altmeister in
Bonaventura Emler, dessen Geist, genährt an der Lektüre von Kirchenvätern und Mystikern, auch
jeuem Ideale nachstrebte, Kunst, Religion und Leben zu eiuem Ganzeu zn gestalten.
Dies Streben führte den Suchenden bald aus die göttliche Komödie Dante's. Das Weseu
dieses gewaltigen Denkmals mittelalterlichen Geistes, ja selbst die phantastischen Dunkelheiten Dante's
sagten dem grübelnden Charakter des Künstlers so sehr zu, daß ihr Studium und ihre bildliche Dar-
stellung, so zu sageu, zur Hauptaufgabe seiues Lebens wurden. Bereits um das Jahr 1850 begann
Emler die ersten größeren Entwürfe hiezu und seitdem änderte und besserte er daran unermüdlich je
nach den Fortschritten seiner Einsicht, seiner Kenntnisse. Er hatte von vorn herein nicht die Absicht,
eine einfache Illustration des Gedichtes zu geben uud einzelne Motive herauszugreifen, wie wir solche
in den berühmten Kompositionen eines John Flapman, Asmus Carsteus, Bonaventura Genelli
und in der jüngsten Arbeit Gustav Dortz's besitzen. Sein Plan ging vielmehr dahin, in das ganze
Gewebe einzudringen, den Faden der Dichtung mit starker Hand znsammenzufassen und dieselbe in
einem architektonisch gegliederten, ideellen Ganzen zur Erscheinung zn bringen.
Hier müssen wir erwähnen, daß es um jene Zeit anch CarlRahl zuerst vorübergeheud vergönnt
war, an der Wiener Kunstakademie zu wirken. Die Persönlichkeit des genialen Malers übte alsbald
große Anziehungskraft auf die jungen Akademiker, auch auf die Schüler Führich's. Trotz des
tiefeu Gegensatzes der beiden Richtungen wendeten sich auch die jungeu sogenannten „Nazarener"
und insbesondere Emler dem anfgehenden Sterne zu. War doch der Gedanke so schöu und verlockend,
Rahl's Farbe mit Führich's Zeichnung zn vereinigen! Wenn auch dieser Traum nicht lange vorhielt
und Emler speciell sich bald wieder von der zu Heterogenen Weise lossagte, so hatte doch schon diese
slüchtige Anknüpfung die besten Folgen für Emler's Talent; er verdankte derselben nicht blos ein
besseres Verständniß der Farbe, sondern auch eine größere Freiheit in der Konceptiou. Das Gefühl
dieser Förderung ließ denn auch iu Emler die Verehruug für Rahl nie ganz erkalten und trotz alles
Widerstreites ihrer Naturen blieben sie zeitlebens iu einem gewissen Verkehr. Auch Rahl anerkannte
das ernste Streben seines jungen Antipoden nnd bethätigte seine Achtung vor dessen Talent dadurch,
daß er eine Auswahl von Emler's Handzeichnungen aus dessen Nachlasse an sich brachte.
Was die zahlreichen Staffeleibilder Bonaventura Emler's anbelangt, fo finden sich zwei Jugend-
arbeiten noch im Besitze seiner Eltern, nämlich ein Paradies Dante's (5^ hoch) in der ersten Auf-
fassung und Kaiser Friedrich's I. Demüthigung vor Heinrich dem Löwen (etwa 4' hoch 5" breit). Ein
äußerst sorgfältig behandeltes Gemälde, darstellend die Anbetung des Christkindes durch die H. drei