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Recenfionen.
flüchtige und durch Druckfehler entstellte Erwähnung gethan. — B. II. S. 538 findet sich eine Be-
schreibung des kostbaren Altarwerkes von der Hand des Piero della Francesca, welches die Kapelle
des Hospitals der Barmherzigen Brüder zu Borgo San Sepolcro besitzt. Der darin erwähnte
„namenlose Heilige", in einer der vier Blenden an dem Untersatz dieses hochaufgebauten Altar-
schreines ist der heil. Antonius Abbas. Was aber in der sonst genauen und ausführlichen Be-
schreibung ganz fehlt, wahrscheinlich weil es den Verfassern entgangen, das ist ein innerhalb des
Tabernakels (eiborio) verwahrtes Bildchen, von derselben Hand und eben so vollkommen wie alles
Uebrige, eine Grablegung Christi, mit Maria, die sich auf den Leichnam ihres Sohnes wirft, eine
Komposition von etwa zehn Figuren.
(Schluß folgt.)
Wilhelm Stier, Architektonische Erfindungen. Herausgegeben von Hubert Stier
(Berlin 1867, Selbstverlag des Autors), Heft 1. Text in 80 und 7 Blatt Kupferstich
in Folio.
Ein von vielen Architekten und Freunden der Kunst lang gehegter sehnlicher Wunsch geht in
Erfüllung. Der Anfang einer Publikation der architektonischen Entwürse des „allen Stier" wie
wir, seine Schüler, ihn zu nennen pflegten, ist erschienen. Es ist das gewiß ein sehr dankens-
'werthes Unternehmen, durch welches dem theuren Manne ein seiner würdiges Denkmal gesetzt, uns
aber eine große Freude bereitet wird.
W. Stier ist in ganz Dentschland und darüber hinaus wohl bekannt. Die meisten jüngeren
Architekten Norddeutschland's waren während seiner 30jährigen Thätigkeit als Lehrer an der
Berliner Bau-Akademie seine Schüler. In allen Architekten-Versammlungen war er zugegen, stets
anregend und belebend. Wir Alle kennen ihn als Lehrer, als liebenswürdigsten Menschen, wir
achten, lieben, verehren ihn als solchen. — Stier war auch literarisch thätig gewesen. Aber nur
geringe Proben davon traten während seines Lebens in die Oeffentlichkeit. Hoch erfreut wurden wir
als W. Lübke im Jahre 1857 eine Auswahl feiner Aufzeichnungen unter dem Titel „Hesperische
Blätter" herausgab. Es sprickt aus ihnen so ganz und voll der „alte Stier", wie wir ihn so oft auf
dem Katheder gesehen, mit der ewig heiteren, hohen Stirn, den scharf eindringenden Blick, wie er in
anmuthiger Rede mit Begeisterung die Bauwerke der Vorzeit beschrieb und gelegentlich auch Scenen
aus seinem reichen Wanderleben uns schilderte.
Aber Stier war auch ein phantasievoller Künstler, ein genialer Architekt. Freilich war es ihm
nicht vergönnt seine Entwürfe auszuführen. Mit Ausnahme seines eigenen Hauses — das jetzt lei-
der gänzlich umgebaut ist, hat er nie als praktischer Architekt gewirkt. Er war eine viel zu sehr
productive Natur, als daß er darauf hätte verzichten können, seinen Ideen künstlerische Gestalt zu
geben, oder, wie er selbst sagte, „in architektonischen Erfindungen körperlich darzustellen." Er war
daran gewöhnt, alles was er dachte und aussprach, unter dem Gesichtspunkte der lebendigen Form
der praktischen Darstellung zu betrachten. Der Idee lebt' ich, schreibt er, und sah nie die Wirklich-
keit werden; — doch auch Gedanken sind dauernd, und schon oft sind sie zu Blumen emporgeschossen
über dem Grabe ihres Erfinders. Und diese Blumen werden uns jetzt geboten. Nun endlich, zehn
Jahre nach dem Hinscheiden des geliebten Lehrers, wird es uns vergönnt, ihn mit Klarheit als schaf-
fenden Künstler kennen zu lernen.
Es ist Hubert Stier, der einzige Sohn des „alten Stier", welcher, als Erbe und Verwalter
des reichen künstlerischen Nachlasses seines Vaters, die Publikation einer Auswahl der architektoni-
schen Erfindungen unternimmt. Das Programm ist groß angelegt. Möchten nicht äußere Umstände
die Ausführung desselben verhindern. Das Werk soll eine Sammlung der 11 größeren Entwürfe,
nämlich Wiederherstellung der beiden Landsitze des Plinius, Entwurf zum Winterpalast in Peters-
burg, 4 Entwürfe zu einem Dom in Berlin, Entwurf zu einem Ständehause in Pesth, zum Athe-
näum in München, dem Rathhause für Hambung und der Votivkirche in Wien enthalten, beglei-
Recenfionen.
flüchtige und durch Druckfehler entstellte Erwähnung gethan. — B. II. S. 538 findet sich eine Be-
schreibung des kostbaren Altarwerkes von der Hand des Piero della Francesca, welches die Kapelle
des Hospitals der Barmherzigen Brüder zu Borgo San Sepolcro besitzt. Der darin erwähnte
„namenlose Heilige", in einer der vier Blenden an dem Untersatz dieses hochaufgebauten Altar-
schreines ist der heil. Antonius Abbas. Was aber in der sonst genauen und ausführlichen Be-
schreibung ganz fehlt, wahrscheinlich weil es den Verfassern entgangen, das ist ein innerhalb des
Tabernakels (eiborio) verwahrtes Bildchen, von derselben Hand und eben so vollkommen wie alles
Uebrige, eine Grablegung Christi, mit Maria, die sich auf den Leichnam ihres Sohnes wirft, eine
Komposition von etwa zehn Figuren.
(Schluß folgt.)
Wilhelm Stier, Architektonische Erfindungen. Herausgegeben von Hubert Stier
(Berlin 1867, Selbstverlag des Autors), Heft 1. Text in 80 und 7 Blatt Kupferstich
in Folio.
Ein von vielen Architekten und Freunden der Kunst lang gehegter sehnlicher Wunsch geht in
Erfüllung. Der Anfang einer Publikation der architektonischen Entwürse des „allen Stier" wie
wir, seine Schüler, ihn zu nennen pflegten, ist erschienen. Es ist das gewiß ein sehr dankens-
'werthes Unternehmen, durch welches dem theuren Manne ein seiner würdiges Denkmal gesetzt, uns
aber eine große Freude bereitet wird.
W. Stier ist in ganz Dentschland und darüber hinaus wohl bekannt. Die meisten jüngeren
Architekten Norddeutschland's waren während seiner 30jährigen Thätigkeit als Lehrer an der
Berliner Bau-Akademie seine Schüler. In allen Architekten-Versammlungen war er zugegen, stets
anregend und belebend. Wir Alle kennen ihn als Lehrer, als liebenswürdigsten Menschen, wir
achten, lieben, verehren ihn als solchen. — Stier war auch literarisch thätig gewesen. Aber nur
geringe Proben davon traten während seines Lebens in die Oeffentlichkeit. Hoch erfreut wurden wir
als W. Lübke im Jahre 1857 eine Auswahl feiner Aufzeichnungen unter dem Titel „Hesperische
Blätter" herausgab. Es sprickt aus ihnen so ganz und voll der „alte Stier", wie wir ihn so oft auf
dem Katheder gesehen, mit der ewig heiteren, hohen Stirn, den scharf eindringenden Blick, wie er in
anmuthiger Rede mit Begeisterung die Bauwerke der Vorzeit beschrieb und gelegentlich auch Scenen
aus seinem reichen Wanderleben uns schilderte.
Aber Stier war auch ein phantasievoller Künstler, ein genialer Architekt. Freilich war es ihm
nicht vergönnt seine Entwürfe auszuführen. Mit Ausnahme seines eigenen Hauses — das jetzt lei-
der gänzlich umgebaut ist, hat er nie als praktischer Architekt gewirkt. Er war eine viel zu sehr
productive Natur, als daß er darauf hätte verzichten können, seinen Ideen künstlerische Gestalt zu
geben, oder, wie er selbst sagte, „in architektonischen Erfindungen körperlich darzustellen." Er war
daran gewöhnt, alles was er dachte und aussprach, unter dem Gesichtspunkte der lebendigen Form
der praktischen Darstellung zu betrachten. Der Idee lebt' ich, schreibt er, und sah nie die Wirklich-
keit werden; — doch auch Gedanken sind dauernd, und schon oft sind sie zu Blumen emporgeschossen
über dem Grabe ihres Erfinders. Und diese Blumen werden uns jetzt geboten. Nun endlich, zehn
Jahre nach dem Hinscheiden des geliebten Lehrers, wird es uns vergönnt, ihn mit Klarheit als schaf-
fenden Künstler kennen zu lernen.
Es ist Hubert Stier, der einzige Sohn des „alten Stier", welcher, als Erbe und Verwalter
des reichen künstlerischen Nachlasses seines Vaters, die Publikation einer Auswahl der architektoni-
schen Erfindungen unternimmt. Das Programm ist groß angelegt. Möchten nicht äußere Umstände
die Ausführung desselben verhindern. Das Werk soll eine Sammlung der 11 größeren Entwürfe,
nämlich Wiederherstellung der beiden Landsitze des Plinius, Entwurf zum Winterpalast in Peters-
burg, 4 Entwürfe zu einem Dom in Berlin, Entwurf zu einem Ständehause in Pesth, zum Athe-
näum in München, dem Rathhause für Hambung und der Votivkirche in Wien enthalten, beglei-