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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schröder, Alfred: Das "Sakrarium" in der Kirche zum hl. Kreuz in Augsburg: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Monstranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0139
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203

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr.

204

nach der Vorderseite des Schreines gewendete
Figur, rechts ein Mann, links eine Frau, jener in
langem gegürtetem Gewände, diese mit verhülltem
Haupte, gegürtetem, mit langen Prunkärmeln
versehenem Untergewande und Ueberwurf.

Auf der Rückseite des Deckels ist Maria
Verkündigung dargestellt. Maria hat sich vom
Stuhle erhoben und vernimmt stehend mit einem
Gestus der Verwunderung die Botschaft des
eben erschienenen Engels, welcher in der Linken
einen in die heraldische Lilie ausmündenden
Stab hält, während er die Rechte zum Rede-
gestus erhebt.

Um den unteren Rand des Deckels läuft
eine auf der rechten Schmalseite beginnende
Inschrift, welche an einzelnen Stellen durch
die Scharnieren verdeckt oder durch Löcher
zerstört ist, auf der Vorderseite aber an der
Stelle des Ausschnittes beseitigt, jedoch auf
dem horizontalen Abschlufs der Ausschnitt-
Überhöhung mit Renaissancelettern ergänzt
wurde. Ich gebe die Inschrift in der Weise,
dafs die verdeckten und die durch Löcher zer-
störten Buchstaben in runden, die auf dem
Ausschnittabschlufs ergänzten Worte in eckigen
Klammern beigefügt werden: -j- Viridis ma(rsc)
alcns de Rehcperc et uxores. e(ius. A)dilheidis.
et. Perhcteradfis.) hoc sacrariumpro remedio .
animaru(m.) snarum . huc . (o)p \obtukrunt
pro quibus\ bu(s) o(r)ate.

Das Werk verräth einen tüchtigen Künstler.
Den Apostelfiguren verleiht statuarische Ruhe
den Charakter des Würdevollen. Die Milde
und Güte des Heilandes ist nicht blofs in der
segnenden Hand, sondern noch deutlicher und
inniger in der leichten Neigung des Hauptes
zum Ausdruck gebracht. Sehr natürlich und
mit geringen Mitteln, dabei durchaus ruhig und
der Idee der Persönlichkeit entsprechend ist
die in der hl. Jungfrau bei der Verkündigung
des Engels entstehende Gemüthsbewegung ge-
schildert. In einem Gegensatz zu der bei aller
inneren Bewegung beobachteten Zurückhaltung
und Ruhe bei Maria steht das plötzliche Er-
scheinen des Engels, dessen rasche und eben
erfolgte Ankunft durch die Bewegung der Ge-
wandfalten angedeutet ist. Die Ausführung im
Einzelnen ist sehr sorgfältig; man beachte etwa
die Hände, insbesondere die elegante Hand-
führung bei der Figur des Propstes; aber diese
Figur, die besterhaltene von allen, zeugt auch
von einem tüchtigen Können in der Bildung

der Gesichtszüge. Der Faltenwurf ist bei sehr
reicher Anordnung meist natürlich.

Es sind noch einige stilistische Bemerkungen
anzufügen, welche die Entstehungszeit des
Schreines vom kunsthistorischen Standpunkt
aus zu beleuchten geeignet erscheinen. Hin-
sichtlich der Gewandung ist als höchst charakte-
ristisch der Prunkärmel der betenden Frau zu
besprechen. Diese Form weiter Aermel kam
bald nach Beginn des letzten Drittels des
XILJahrh. in Aufnahme, machte jedoch, nachdem
schon im Jahre 1195 ein Konzil gegen diese
kostspielige Mode aufgetreten war, im ersten
Viertel des XIII. Jahrh. einem ärmellosen Ober-
gewande Platz.8) — Was sodann die Schrift-
zeichen betrifft, so kommt die lateinische Unciale
zur Anwendung; abweichend jedoch sind ge-
bildet die Buchstaben M (Ort) und A (A), während
bei den Buchstaben E und D die Formen der
lateinischen Unciale abwechselnd mit den Formen
S (offenes E) und b gebraucht werden. Allein
diese Formen für M und A, sowie die abweichen-
den Formen von E und D waren gerade um
1200 in Metallinschriften deutscher Herkunft
sehr gebräuchlich.9)

Es sprechen somit auch stilistische Eigen-
thümlichkeiten für den Anfang des XIII. Jahrh.
als Entstehungszeit des Werkes.

Die im Jahre 1346 eingefügte Kapsel, welche
wegen der dem Heiligthum schuldigen Ehr-
furcht nicht zur Abbildung gebracht werden
konnte, ist ein silbernes, rechteckiges Gefäfs
vorne mit überragendem Rande, in welchen
das Krystallglas eingespannt ist, und mifst ohne
Rand 7,9 x 4,5 bei einer Tiefe von 3,8 cv:; mit
dem Rande 9,8 x 6,4 cm; die Vorderseite, oder
genauer der Rand der Kapsel ist durch einen
später hinzugefügten, ganz mit Edelsteinen be-
setzten Schild (11,2 x 8,6 cm) verdeckt. Auf den
die Kapsel seitlich schliefsenden Flächen ist
in gothischer Majuskel eine dreizeilige, erhabene
Inschrift angebracht; der Grund ist bei der
oberen und unteren Zeile schwarz, bei der
mittleren roth; die Buchstaben sind silbern.
Die Inschrift, in schlechten Leoninischen Versen

8) H. Weiss »Kostümkunde« II2, 362 ff.

9) So finden wir dieselben Formen von A, E und M
in Konstanzer Siegeln aus den Jahren 1190 und 1211
bei Fr. v. Weech »Cod. Salem.« I Tafel I, 2 und
Tafel II 5, 6; die Form für D auf dem von der hl,
Elisabeth (f 1231) gestifteten silbernen Becher im
Hospital zu Trier, abgebildet bei H. Otte »Handb.
d. kirchl. Kunstarchäologie« I6, 405.
 
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