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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Groner, Anton: Zur Entstehungsgeschichte der Sixtinischen Wandfresken, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0158

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233

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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nicht von der Hand gewiesen werden. Gut
begründet ist die Autorschaft Pieros di Cosimo
bei der Frauengruppe ganz links; auch die
Beteiligung an der Ausführung einiger Figuren
der Mosesgruppe sowie an der landschaftlichen
Partie der linken Seite ist wohl nicht ganz ab-
zuleugnen. Weiter aber wird sein Anteil wohl
kaum gehen.

So dürfen wir die Frage nach der Herkunft
des Auszuges mit Bestimmtheit dahin beant-
worten: Ghirlandajo hat das Bild am 27. Oktober
1481 übernommen, er hat es im engsten äußeren
Anschluß an das Berufungsbild entworfen und
in der Hauptsache auch selbst a fresco gemalt;
Piero di Cosimo hat ihm in einigen Partien
geholfen und die kleine Frauengruppe selb-
ständig geschaffen. Es ist dies im wesentlichen
das Ergebnis, zu welchem schon Schmarsow
durch seine gründliche und vorsichtige stil-
kritische Analyse gekommen ist.

Seltsam, daß der Schüler Rosseliis hier auf
einmal als Gehilfe Ghirlandajos auftritt. Das
Ärgernis, das man an dieser schon von Schmarsow
erkannten Tatsache nahm, und der gute Glaube,
diese vermeintliche Unmöglichkeit beseitigen
zu müssen, haben fühlbar mehr als neue stil-
kritische Gesichtspunkte dazu geführt, daß man
das Fresko dem Ghirlandajo absprach und
unter der Deckfirma des gar nicht mehr in
Rom anwesenden Rosselli dem Piero di Cosimo
und einem Unbekannten zuwies.

Eine überraschend einfache Erklärung für
die anstößige Beteiligung Cosimos an dem
Auszugsbild Ghirlandajos ergibt sich aus dem
Inhalt und der Ausführung des Vertrags vom
27. Oktober 1481. Die 4 Maler verpflichteten
sich, 8 Historien (nämlich je ein Paar) bis zum
15. März 1482 fertigzumalen. Am 17. Januar
1482 wurden die „vier ersten" von den genannten
4 Malern vollendeten Historien eingeschätzt.
Die Bestimmung des Vertrags vom 27. Oktober
„cum precio solutionis] et extimation[is], ad
quam seu quod extimabuntur istoriae iam
faciae" ist für uns zweideutig (für die Kon-
trahenten bestand natürlich kein Zweifel). Wir
können übersetzen: „um ein durch Schätzung
festgesetztes Honorar, wie zu einem solchen
die schon fertigen Historien noch gewertet
werden sollen", oder: „zu dem (gleichen) ab-
zuschätzenden Honorar, zu welchem die schon
fertigen Historien werden taxiert werden." Es
läßt sich daher auch nicht mit Sicherheit aus-
machen, ob am 17. Januar 1482, wie Steinmann

meint, nur von 4 Historien die Rede ist ent-
sprechend den 4 Malern, so daß die Taxe
stillschweigend auch für die schon am 27. Oktober

1481 fertigen Historien gegolten hätte, oder
ob die am 27. Oktober 1481 fertigen Historien
inzwischen vor dem 17. Januar 1482 schon
geschätzt worden waren. Immerhin ließe sich
für letztere Auffassung geltend machen, daß
die Altarwand noch das Himmelfahrtsbild ent-
hielt, also doch wohl nicht stillschweigend den
übrigen „Historien" (=Wandabteilungen) gleich-
gesetzt werden konnte. Auch könnte die Be-
merkung der Schätzungsurkunde, daß die ge-
nannten 4 Historien nach Vollendung der
Teppiche geschätzt werden müßten, wovon in
dem Vertrag nicht die Rede war, darauf deuten,
daß sich die Künstler bei der vorauszusetzenden
ersten Schätzung ausbedungen hatten, mit der
Schätzung der am 27. Oktober 1481 über-
nommenen 8 Bilder sollte nicht bis nach Voll-
endung aller Bilder gewartet werden, sondern
die 4 ersten sollten nach Vollendung der Tep-
piche geschätzt werden. Bei dieser ersten
Schätzung könnte dann auch die Festsetzung
des Wertes der einzelnen Historie im Ver-
hältnis zu den zugehörigen 2 Papstbildnissen,
welche in der Schätzungsurkunde vom 17. Januar

1482 notwendig vorausgesetzt wird, ungezwungen
angenommen werden. Jedenfalls haben wir
in den „vier ersten" von den genannten vier
Künstlern vollendeten Historien, die am 17. Ja-
nuar 1482 geschätzt werden, die 4 ersten Bilder
im Gegensatz zu den zweiten und letzten vier
(von den durch die 4 Künstler auszuführenden)
Historien zu erkennen.*)

Die 4 Künstler hatten also am 17. Januar
1482 von den 8 zu malenden Bildern die Hälfte
vollendet, und für die übrigen 4 mußten sie die

*) Wir geben oben das „istoriae iam faetae"
durchgehends mit „die schon vollendeten Historien"
(nach Steinmann) um keiner Schwierigkeit aus dem
Weg zu gehen. In Wirklichkeit ist wühl einfach zu
übersetzen: „um das Honorar, zu welchem die
Historien, wenn sie einmal fertig sind, geschätzt
werden" (iam faetaecum iam faetae fuerint, wie es
in dem oben Sp. 163 genannten Gedicht heil.lt: cum
fuerit tale iam factum, quäle . . .) An der Ent-
stehungsgeschichte ändert diese Auffassung nichts.
Denn in dem Malvertrag steht ausdrücklich, daß mit
den Historien schon begonnen war, was sich nur auf
Peruginos Altarwandfresken beziehen kann, und daü
die drei anderen Künstler an den Papstbildnissen
schon vor dem 27. Oktober 1481 gemalt hatten, das
geht aus dem Malvertrag und der Schätzungsurkunde
zusammen mit Sicherheit hervor.
 
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