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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Braun, Joseph: Die Paramente im Schatz der Schwestern U. L. Frau zu Namur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0198

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299

1906.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

300

Paramente, auf welchen Möndchen als Orna-
ment verwendet erscheinen, sind die soge-
nannte Kasel des hl. Johannes Angeloptes
in S. Urso zu Ravenna, eine Glockenkasel in
S. Godehard zu Hildesheim, der Mantel
Ottos IV. im Herzoglichen Museum zu Braun-
schweig, u) die sogenannte Mitra des hl. Tho-
mas von Kanterbury in der Kathedrale zu
Sens,12) ein ehedem im Besitz Bocks befind-
licher, von diesem zu Palermo erworbener und
in der Geschichte der
liturgischen Gewänder
Bd. 13 Taf. II abge-
bildeterZierbesatz.eine
Mitra im Schatz der
Kathedrale zu Anag-
ni,13) die sogenannte
Mitra des hl. Zeno in
S. Zeno zu Verona,14)
der Manipel des hl.
Edmund von Kanter-
bury zu Pontigny,15)
eine Goldstickerei zu

Pontigny, welche die Gottesmutter unter einem
Dreiblattbogen thronend, auf dem linken
Arm das Jesuskind,1G) in der Rechten eine
Lilie haltend, darstellt, u. a. Paramente, die
das vorhin beschrie-
bene Ranken- und
Blattwerk aufweisen,
sind z. B. die letzt-
erwähnte Stickerei zu
Pontigny, der eben-
daselbst befindliche
Pontifikalschuh des hl.
Edmund,17) ein Ponti-
fikalschuh im Museum
zu Lausanne,ls) die zu
den deutschen Reichs-
kleinodien gehörenden
kaiserlichen Handschuhe u. a.l9) Auch die

") Abb. bei Bock, >Die Kleinoden des hl. deut-
schen Reichs« Taf. X. Abb. der sog. Kasel des
hl. Johannes Angeloptes bei A. Venturi, »Storia
dell'arte italiana« II, 349. Die Kasel wird hier irrig
dem Ende des X. Jahrh. zugeschrieben.

12) Abb. bei de Farcy, »La broderie« Taf. 14.

") Abb in dieser Zeischrift 1902, Sp. 11 n. 3.

M) Abb. bei Bock, »Geschichte der liturg. Ge-
wänder« II, Taf. XXIV (doch mangelhaft).

'») Abb. bei de Farcy, a. a. O. Taf. 15.

>«) Ebend. Taf. 14.

") Ebend. Taf. 1 1.

18) Abb. bei Rohault de Fleury, »La messe«
VIII, Taf. DCLXXVIII.

19) Bock, »Reichskleinodien« Taf. VIII.

mit der Hildesheimer in der Art der Ornamen-
tation auffallend übereinstimmende Kasel des
hl. Thomas von Kanterbury in der Kathedrale
zu Sens darf hier hingerechnet werden. Die
Technik, in welcher die Stickereien aller dieser
Paramente ausgeführt sind, ist ganz dieselbe
wie der der Mitren zu Namur, Sens und
München. Da wo sich an den aufgeführten
Gewändern noch die Besätze erhalten haben,
z. B. bei den Kasein zu Ravenna, Sens und
Hildesheim, der Mitra
zu Anagni, dem Mantel
Ottos IV., bestehen
dieselben aus einer
Borde dergleichen Art,
wie wir sie an der
Mitra zu Sens an-
treffen: es sind jene
breiten, festen, vor-
herrschend in roter
Seide und Gold ge-
Abb. 4a. webten, geometrisch,

vegetabilisch oder ani-
malisch gemusterten Borden, welche man ge-
meinlich als palermitanisch zu bezeichnen pflegt.
Allein, wo haben wir die Heimat der
Mitren zu Sens, München, Namur und der
übrigen ihnen tech-
nisch und stilistisch
so verwandten Gewän-
der zu suchen. Nimmt
man die Sache nur
oberflächlich,sokönnte
die Darstellung des
Martertodes des hl.
Thomas, die Tracht
der Ritter, zumal der
Helm, und die
Musterung der Altar-
decke auf der Mitra
zu Namur den Gedanken an englische Pro-
venienz erwecken. Allein man darf nicht
außer acht lassen, daß wenigstens die Mitren
allem Anschein nach für den Handel gemacht
worden sind und darum ebenso gut auch
außer England entstanden sein können. Auch
ist zu berücksichtigen, daß damals, als die
Mitren entstanden, die Verehrung des Heiligen
sich keineswegs mehr auf England beschränkte,
sondern sich bereits mit ungeahnter Schnellig-
keit im ganzen Abendland bis nach Italien
herunter verbreitet hatte. Ähnlich enthält
die Tracht der Ritter und die freilich stark
 
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