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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Braun, Joseph: Die Paramente im Schatz der Schwestern U. L. Frau zu Namur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0199

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301

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

302

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an das englische diaper work erinnernde
Musterung der Altardecke nichts, was uns
berechtigte, auf ein bestimmtes Herkommen
zu schließen. Denn mit Rosetten gefüllte
Rauten kommen auch anderswo vor und die
Rüstung, zumal der Helm
mit Nasenschirm, wie wir
ihn bei den Rittern an-
treffen, war um ] 200 allent-
halben in Gebrauch, den
Süden nicht ausgenommen.
Viel bedeutsamer sind
für die Feststellung des Ur-
sprungs der Mitren und
der anderen Paramente die
Möndchen und das vorhin
besprochene Rankenwerk.
Die Möndchen sind ein
orientalisches, von den Sara-
zenen kommendes Motiv.
Ob das auch von den Lilien,
Löwen und Sternen gilt, die
mehrfach zugleich mit ihnen
vorkommen, wie z. B. auf
dem Mantel Ottos IV., der
Mitra zu Anagni, der Kasel
zu Ravenna, muß dahinge-
stellt bleiben. Die Rosett-
chen, die neben ihnen an-
gewendet werden — man
vergleiche z. B. die Mitra
zu München, die Kasel in
St. Godehard zu Hildesheim
sind es kaum. Auch das
Rankenwerk, das wir auf
einer Anzahl von Paramenten
der hier in Frage stehenden
Gruppe antreffen, ist nicht
orientalisch, sondern nordi-
schen Ursprungs, eine Fort-
bildung oder besser eineVer-
einfachung des der Kunst des
Nordens seit der Karolinger-
zeit so geläufigen Ranken-
werks. — Wir werden daher
wohl nicht fehl gehen, wenn ^^^^^^^^^^
wir die Werkstätten, aus denen die Mitren
und die anderen zu ihrer Familie gehörenden
Gewänder hervorgingen, da suchen, wo sara-
zenische Kultur mit der nordischen zusammen-
traf, und die ornamentalen Motive der einen
mit Motiven der anderen zu einem eigenartigen
Ganzen sich verbanden, das zugleich den



Abb. 5

Stempel der sarazenischen Künstler und der
von diesen aufgenommenen Ideen der Kunst
des Nordens an sich trägt, — auf Sizilien.
Dafür spricht auch, daß die Besätze, die man
auf ihnen noch findet, wie schon gesagt wurde,
ausnahmslos zu den Borden
gehören, denen man sizilia-
nischen Ursprung zuschreibt.
Aber noch in einem anderen
Umstand darf man eine Be-
stätigung jener Annahme
sehen, in der Schreibweise
des Wortes Stefanus auf
den Mitren zu Sens und
München. Weder in Eng-
land noch in Frankreich war
diese zu Haus, wohl aber
in Italien und namentlich
in Süditalien einschließlich
Siziliens. Besonders war das
hier der Fall in Schriftstücken
des gewöhnlichen Lebens,
weshalb denn auch in dem
aus dem Vulgärlatein des
Volkes gebildetem Italieni-
_^^^^__. sehen sich als Schreibweise
;_^Sa des Namens die Form
Stefano festsetzte.
t- XL.?_ ■„ hSJ j-)er Feststellung der Her-

kunft mittelalterlicher Sticke-
reien ist in vielen, um nicht
zu sagen, den meisten Fällen
eineschwierigeSache. Äußere
g^—!"'■!» Zeugnisse liegen verhältnis-
*8!M mäßig nur selten darüber vor.
Man ist daher fast immer
auf etwaige charakteristische

Eigentümlichkeiten der
Stickereien angewiesen. Aber
auch solche fehlen nur zu oft,
wenigstens treten sie selten
so ausgesprochen auf, daß
man aus ihnen mit Sicher-
heit oder auch nur mitgroßer
Wahrscheinlichkeit einen
Schluß auf die Provenienz
machen könnte. Für die Stickereien liegen
die Dinge noch weit übler wie für die an-
deren Erzeugnisse mittelalterlicher Kunst.
Einer der besten Kenner mittelalterlicher
Stickereien ist Herr L. de Farcy, dessen
Werk „La broderie de XIe siecle jusqu'ä
nos jours" unzweifelhaft für die Geschichte
 
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