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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Firmenich-Richartz, Eduard: "Frühholländer"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0234

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1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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seums in Leyden. Der zweite Teil umfaßt
in trefflicher Wiedergabe die altholländischen
Gemälde im erzbischöflichen Museum zu Ut-
recht (25 Tafeln nebst Text). Die Schwierig-
keiten stiegen bei der Fortsetzung „Früh-
holländer III." Zwei Lieferungen enthalten
die Werke altholländischer Meister in Italien
in dem für die Entwicklung wichtigen Zeit-
raum von etwa 1450 bis 1550. Es sind meist
Stücke, die durch alten Export nach dem
Süden gelangten und, abgesehen von wenigen
ausgezeichneten Meisterwerken in den Uffizien
zu Florenz, dem Museo nazionale zu Neapel
und der Pinacoteca zu Turin, in kleinere
Kommunalgalerien und in Privatbesitz ver-
schlagen wurden. Dort hängen diese Originale
wenig beachtet und häufig schlecht gepflegt.
Unter solchen Umständen mußten die 45 Licht-
drucktafeln ungleich ausfallen, namentlich da
die Platten von verschiedenen italienischen
Photographen herrühren.

Im Text ist Franz Dülberg bemüht, eine
trockene Gelehrsamkeit unbedingt zu vermeiden
und feinsinnige Bemerkungen in pointierter Form
darzubieten. Statt der verbindenden Darlegung
würde ich in diesem Zusammenhang den
wissenschaftlichen kritischen Katalog vorge-
zogen haben, wie ihn z. B. Max Friedländer
in mustergültiger Weise zur Erläuterung einer
Bilderfolge aus der Brügger Ausstellung i9o2
zusammenstellte. In einem solchen Verzeich-
nisse würden dann auch regelmäßig Angaben
der Maße der Bildtafeln und der wichtigsten
Literatur wohl eine Stelle gefunden haben.

Von den zahlreichen Gemälden verschiede-
ner Stilphasen, mehreren Zeichnungen und
einem vereinzelten unedierten Ornamentstich
des Lucas van Leyden, die vorgelegt werden,
will ich auf eine kleine Auslese näher ein-
gehen, um gelegentlich kritische Erörterungen
anzuknüpfen oder eine abweichende Ansicht
kurz festzustellen.

Schon bei dem umfänglichen hochbedeuten-
den Wandbild „Der Triumph des Todes"
im Cortile des Palazzo Sclafani zu Palermo
(Tafeln i —3) dürfte der holländische Ur-
sprung schwer nachweisbar sein. Franz Dül-
berg bezeichnet das Gemälde als Fresko.
Nach Hubert Janitschek6) ist es weder al

6) Hubert Janitschek im »Repertorium für
Kunstwissenschaft« I (1876) S. 365. — Burckhardt-
Bode: »Cicerone«. 9. Aufl. (1904) S. 754.

tempera noch al fresco gemalt; er hält es für
wahrscheinlich, daß man es hier „mit der Öl-
farbentechnik zu tun habe", eine Ansicht, der
sich auch Burckhardts Cicerone vermutungs-
weise anschließt. Einheimische Berichterstatter
bezeichnen die Technik als enkaustische
Malerei. Moderne Übermalungen erschweren
ein bestimmtes Urteil, ein Gegenstück al
fresco gemalt, „Das jüngste Gericht", angeb-
lich von Antonio Crescenzio, widerstand nicht
der Feuchtigkeit der Mauer und ging schon
vor alters zugrunde.

Die grauenhafte, erschütternde Vorstellung,
der Sieg des Todes über Macht und Reichtum,
Rang und Liebreiz, ist mit demselben gewaltigen
Pathos wie in dem berühmten Bilde des Campo
santo zu Pisa vorgeführt. Die Darstellung wirkt
fast noch packender, weil sie einheitlicher in der
Komposition ist. Das grinsende Gerippe setzt
als unentrinnbarer Bogenschütze auf knochigem
Gespensterroß über Haufen seiner Opfer,
unter denen neben vornehmen Klerikern
Rittern, Orientalen ein hervorragender Rechts-
gelehrter, Bartolo di Sassoferrato, durch Bei-
schrift bezeichnet ist.7) Sein Pfeil traf zuletzt
einen vornehmen Jüngling, der im Kreise
modisch gekleideter Frauen niedersinkt. Die
höfische Gesellschaft vertändelt und vergeudet
die kurze Zeitspanne, die ihr noch vergönnt
ist, im Schatten eines Hains, plaudernd beim
rauschenden Brunnen und dem Klang der
Saiten lauschend oder bei den Freuden der
Jagd, mit Spürhunden auf der Fährte des
Wildes. Nur der Blinde sieht den Tod, der
Lahme sucht den Flüchtigen zu erreichen,
Unglückliche erheben in dichtem Gedränge
vergebens zu ihm ihre Hände. Diese inhalt-
lich verwandten Motive mit dem Pisaner
„Trionfo della morte" bedeuten nun noch
keine Abhängigkeit. Der Gegenstand, durch
Pestseuchen nahegelegt, ist häufig genug selb-
ständig in Literatur und Kunst behandelt
worden. Statt zu jenem Trecentisten scheinen
Fäden zu Vittore Pisano hinzuleiten. Eine
scharfe, pointierende Ausdrucksweise ist auf
die zeichnerische Erfassung aller Einzeldinge,
auf das Charakteristische jeder Erscheinung
gerichtet, zahlreiche Beobachtungen und Auf-
nahmen sind geistreich verwertet; starke Ver-
kürzungen werden wiedergegeben, die Hände
sollen sich regen und durch Gebärden reden,

7) Bartulus / de Haix / ferratu / lux juris / civilis
 
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