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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Firmenich-Richartz, Eduard: Eine Darstellung aus der Apokalypse mit der thronenden Madonna: Altkölnisches Tafelgemälde nach 1450
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0016

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1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1-

Einzeldingen werden adoptiert, doch auch die
Vorzüge einer reinlinearen Ausdrucksweise sind
bewahrt — die leichtere Möglichkeit, Ge-
dankenzusammenhänge und Vorstellungsreihen
zu verbildlichen. Die Umrißzeichnung bleibt
noch das eigentliche Organ dieser Kunst, trotz
allem Eifer und Verständnis für Qualitäten
der Modellierung und den Reiz der Farben.

Von punzierten Wellenlinien umsäumt, teilt
sich das goldene Gewölk und gestattet einen
Einblick in das überirdische Reich. Die
Inthronisation Maria vollzieht sich inmitten
einer Darstellung des vierten Kapitels der ge-
heimen Offenbarung.8) Die hl. Jungfrau ver-
harrt anbetend in der traditionellen demütig
geneigten Haltung. Sie trägt schon die Krone
auf dem Haupte, das von einem Strahlen-
nimbus umgeben ist. Das blonde Haar quillt
lockig von schimmernden Glanzlichtern um-
spielt unter dem Goldreifen hervor. Ihre
schmale Gestalt verhüllt der tiefblaue Mantel
mit wirrgehäuften Massen eckiger hartbruchiger
Falten. Man vermißt durchgehende Motive
in diesem Knäuel von Wülsten und Stoff-
buchten.

Maria sitzt nun im Unterschied zu sonstigen
Darstellungen ihrer Verherrlichung nicht zur
Rechten des göttlichen Sohnes, sondern der
greise Weltrichter erhebt segnend die Hand
über ihren Scheitel; das Lamm springt an ihm
empor und öffnet die sieben Siegel des Buches
auf seinen Knien. Der Schöpfer und ewige
Herrscher der Apokalypse ist in Purpur in
verschiedenen Farbentönen gekleidet, über
violettem Gewand breitet sich knitterig und
bauschig der Mantel in warmem Karmoisin.
An der Rückwand des gotischen Thrones
hängt ein grüner Teppich; tiefe Lagefalten
haben sich in den Stoff eingedrückt und ura-

3) Vom Tode und der Verherrlichung Mariae be-
richtet die Legenda aurea. "Wiederum erscheint als Bote
St. Gabriel und überreicht einen Palmzweig aus dem
Paradies. „Ihre Seele flog in die Hände des Sohnes,"
doch auch der Leib erhob sich aus der Graft im Tal
Josaphat und stieg inmitten einer Engelschar aufwärts.
St. Michael geleitet die Königin zur Himmelspforte.
Sie thront neben dem rex gloriae. Christus oder Engel
setzen ihr die Krone aufs Haupt. Erst seit der Mitte
des XV. Jahrh. erscheint auch der greise Gottvater in
diesem Zusammenhange mit den Attributen der Herr-
schaft. — Detzel, »Christi. Ikonographien I, 508 —
Kraus, »Geschichte der christlichen Kunst« n, 428.
— H. Bergner, »Handbuch der christlichen Kunst-
altertümer in Deutschland« S. 538.

grenzen rechteckige Flächen. Ein dunkelgrauer
Zeltbaldachin schirmt den Sitz, der mit hoch-
roten Kissen belegt ist.

Diese klargegliederte Gruppe ist schon in
voller Realität mit reifem Verständnis für
Licht- und Schattenwirkung und den Wert
körperhafter Rundung hingestellt, nur die
Köpfe bleiben noch flach, die Züge scharf
umrissen.

In der Region, die golden den Thronsitz
umgibt, schweben die vier lebenden Wesen
mit punzierten Nimben. Die Figuren wurden
klar in ihrer Sonderart erfaßt, jedoch ist ihr
Verhältnis zum umgebenden Räume nicht
konsequent deutlich gemacht. Die Gestalten
stehen bald in scharfumrissener Silhouette vor
dem Goldgrund oder er dient ihnen zur
Basis; der Löwe erscheint wie von oben ge-
sehen, verkürzt und man gewinnt den Ein-
druck, daß diese Evangelistensymbole aus ver-
schiedenen Vorlagen übernommen sind.

Ein Regenbogen begrenzt dann weiter eine
streifenförmige äußere Zone, in der dicht-
gedrängt, Kopf an Kopf ein himmlisches
Orchester seinen Platz gefunden hat.

Die vierundzwanzig Ältesten der Apokalypse
sitzen auf geschnitzten Stühlen, angetan "mit
weißen Kleidern, goldene Kronen auf ihren
Häuptern. Harfen, Geigen und goldene Schalen
voll Rauchwerk deuten auf die Gebete der
Heiligen. Die Schar wird in zwei Abteilungen
jedesmal fast wie eine kompakte Masse zu-
sammengehalten. Diese Männer neigen und
wenden die Köpfe, sie erheben die Hände
mit den Szeptern, doch die Körper sondern
sich noch nicht räumlich in klarem Abstand
voneinander. Trotz des Vorwiegens brauner
Konturen als dem bestimmenden Ausdrucks-
mittel wurde doch auf malerische Belebung
keineswegs ganz verzichtet. Die hellen Ge-
wänder schillern in den Schatten rosa, matt-
blau, grau und grünlich. Auch einige kräf-
tigeren Farbennoten sind ausgestreut. Man
sieht weichen Pelzbesatz, karminrote, grüne
und tiefviolette Ärmel und Achselstücke. Be-
sonders eingehend ist der lichtblaue Seiden-
mantel des greisen Violinspielers links mit
schimmerndem Granaten musterausgeführt. Die
breiten Köpfe nähern sich alle einem ausge-
sprochenen Typus. Die schmalspaltigen Augen
blinzeln unter schweren Lidern und dichten
hochgeschwungenen Augenbrauen. Der Bart
fließt wellig herab. Die großen-schmalrückigen


 
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