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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Beissel, Stephan: Ein angebliches Königsszepter im Schatze des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0067

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87

1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

Ein angebliches Königsszepter im Schatze des Aachener Münsters.

(Mit 2 Abbildungen.)
rmoldus Nigellus beschreibt im vier

ten Buche seines Lobgedichtes auf
Ludwig den Frommen den Gottes-
i dienst, welcher

nach der Taufe des Königs
Harald von Dänemark in
der St. Albanskapelle zu
Mainz oder in der Ingel-
heimer Kirche stattfand1).
Er erzählt, daß Adhalliutus
mit seinem Stabe (ferula) die
Ordnung aufrecht hielt, auch
dem Kaiser den Weg öffnete
und zeigte2).

Hagen3) hat diese Stelle
ohne weiteres auf die Aache-
ner Pfalz bezogen. Man
darf ihm wohl in soweit
Recht geben, als anzunehmen
ist, daß die Zeremonien des
kaiserlichen Hofes und wohl
auch viele der Beamten in
Ingelheim keine anderen
waren, als zu Aachen. Auch
hier wird also schon in
Karolingischer Zeit ein
Kleriker mit einem Stab
versehen gewesen sein, um
die Ordnung im Chore zu
überwachen.

Aus den im XIV. Jahrh.
geschriebenen Posten des
Totenbuches und eines Zins-
verzeichnisses des Aachener
Stiftes4) erhellt klar, daß

') »Jahrbücher des fränkischen
Reiches unter Ludwig dem Frora-
men« I S. 2f>8 f.

2)Ermoldi Nigelli, »Carmen
in honorem Illudowici« IV 406 ;
»Mon. Germ.«: „Poetae latini
aevi Carolini" II pag. 69.

*) »Geschichte Achens« IS. 19.

*) Census pertinentes ad cela-

riam ecclesiae B. Marie Aquensis.

— Quix, »Necrologium ecclesiae B. M, V. Aquensis«
pag. 78: Custodienti chorum cum virga II mr. Vgl-
»Necrologium« pag. 58: „Ad custodiendum chorum;
pag. 65: Cantori, cujus interest in dicto festo
custodire chorum VI den. dentur; pag. 66: Cantori
(lim suis astantibus cuilibet octo den. ad custo-
diendum chorum.

damals ein Kleriker mit einem nicht mehr
ferula sondern virga genannten Stabe die
Ordnung des Chores in feierlicher Weise
handhabte, wie dies dort
noch heute, gleich wie in
allen großen Kathedralen
der Fall ist.

Ein solcher spätgotischer
Chorstab istnun im Aachener
Schatz noch heute erhalten
(Figur 1). Wie indessen aus
früheren Abbildungen er-
hellt, hat eine vor etwa
40 Jahren unternommene
„Restauration" das An-
sehen desselben wesentlich
geändert. Der feine Blätter-
kranz am Fuße des Adlers
ist ebenso wie die hervor-
ragende Verzierung der
unter den Edelsteinen aus-
ladenden Rippen neu. Der
untere sechseckige Teil, in
dessen Nische man ein Bild
Marias und zu deren Linken
ein Bild Karls des Großen
erblickt, gehört nicht zu
dem Sängerstäb, sondern
war der Knauf eines Vor-
tragekreuzes5).

Der silberne Adler, wel-
cher die Spitze bildet, ist
0,17 m hoch; sein Gefieder
ist graviert. Er scheint
aus dem Anfang des XVI.
Jahrh. zu stammen, während
der sechseckige Knauf an
hundert Jahre älter ist.

Nachdem die beiden
Tatsachen festgestellt sind,
daß iin Aachener Münster
während des ganzen Mittel-
alters ein Chorstab be-
nutzt wurde, und daß der-
selbe im Anfange des XVI. Jahrh. einen
Adler trug, wird es möglich, ein älteres Schatz-

5) Bock, »Pfalzkapelle« II S. 117 f. und 128;
Aus'mWeerth, »Kunstdenkmäler« II S. 180, Tafel
88, 16.
 
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