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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Halm, Philipp Maria: Oberbayerische Tonreliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0089

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121

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

bemüht, hinter der Gruppe wehklagen drei
andere Frauen. Magdalena kniet, die Hände
dem Gottessohne entgegenstreckend, am Fuße
des Kreuzholzes. Dichtes Getümmel erfüllt die
rechte Bildhälfte. Im Vordergrunde würfeln
die Kriegsknechte um den Rock des Herrn.
Der Hauptmann und zwei weitere Reiter
zügeln die wilden Pferde. Hinter der Gruppe
drängt sich das übrige Volk. Die Kompo-
sition ist äußerst lebendig, aber jeder räum-
lichen Vertiefung bar. Ohne jeden Mittelgrund
hebt sich die ganze Szene direkt vom fast
flachen Hintergrund ab, ganz in der Art spät-
gotischer Bildnerei. Den oberen Teil des
Reliefs füllen schwammig schematische Wolken
mit der Sonnenscheibe und der Mondsichel.
Mit der Herstellung des Positives aus der
Form war keineswegs die Arbeit des Modelleurs
beendigt, vielmehr begann jetzt erst seine
eigentliche künstlerische Betätigung. Er be-
schränkte sich nicht auf ein Übergehen und
Ausbessern des aus der Matrize gewonnenen
Reliefs, sondern arbeitete die einzelnen Formen
mit allem Fleiße, stellenweise mit Subtiliiät
nach, so daß der Charakter der handwerklichen
Vervielfältigung fast ganz verschwindet. Die
Gesichter, die Haare, die Hände, die Gewand-
falten werden scharf und exakt mit den
feinsten, nadelartigen Modelliereisen in den
sorgsam geschlemmten Ton geschnitten. Die
Panzerröcke der Reiter, der Hut des einen,
die Rüstung des würfelnden Soldaten und die
Kostüme seiner Genossen sind außerordentlich
fein wie eine Kleinplastik in Buchs durchgeführt.
Wir kennen von diesem Relief bis jetzt
vier Repliken, eine in Innerthann14), eine in
Jakobsberg16), beide Orte im Bezirksamt
Rosenheim. Das dritte Exemplar aus Schönau,
unfern der beiden ebengenannten Orte kam vor
kurzem in den Besitz der Bayerischen National-
museums und ein viertes Stück, vermutlich
aus der Aiblinger Gegend, kursiert zurzeit
im Altertumshandel. Sämtliche Platten sind
am unteren Bildrande unterhalb des Fußes
Maria mit MEt signiert; die beiden letzterwähn-
ten tragen außerdem die Jahrzahl 1589, das
Jakobsberger Exemplar die Jahrzahl 1584;
für das Relief von Innerthann fehlt mir die
nähere Zeitbestimmung.

Das Bayerische Nalionalmuseum erwarb
noch ein weiteres Werk des gleichen Meisters,

") K. D. B. i, 1616.
") K.D. B. I, 1617.

dessen Herkunft sich' nicht sicher feststellen
ließ. (Abb. 5.) In der ganzen Mache verrät
es deutlich die subtile Hand des Monogram-
misten MK, der sein Zeichen und die Jahr-
zahl 1590 darauf eingegraben hat. Die wesent-
lich kleinere Talel (Höhe 0,39 m, Breite 0,33 m)
stellt die Krönung Maria dar und zwar scheint
für die Komposition der schöne große Holz-
schnitt Dürers vom Jahre 1511 (B. 94) aus
dem Marienleben ganz allgemeine Anregungen
gegeben zu haben. Die spielerische über-
triebene Feinmodellierung mit Nadeln ist
stellenweise, so an dem Strahlennimbus der
Taube des hl. Geistes, an den Haaren, der
Krone und an der Bordüre des Rauchmantels
Gott Vaters fast noch mehr ausgeprägt als
bei den Kreuzigungsdarstellungen.

Eine bunte Behandlung mit Leim- oder Öl-
farben war bei diesen Reliefs offenbar nicht
beabsichtigt, da anderenfalls die kleinlichen
Formen wieder hätten verschwinden müssen.

Es fragt sich nun, ist der Meister dieser
unglasierten Tonreliefs der gleiche wie jener
der beiden bunten Stücke von Wasserburg
und Amerang? Läßt sich dies auch nicht
mit apodiktischer Sicherheit behaupten, so
spricht doch schon das Monogramm dafür.
Auch daß sich sämtliche Arbeiten in der Rosen-
heim—Wasserburger Inngegend lokalisieren
lassen, bestärkt diese Vermutung. Erschwert
ist dagegen die Identifizierung auf Grund
stilistischer Beziehungen, da die künstlerische
Ausdrucksweise infolge der beiden Techniken
— roher Tonbrand und Schmelzglasurmalerei—
durchaus verschieden ist. Trotzdem meine
ich auch Stilverwandtes zwischen den beiden
Gruppen sehen zu können; so ähnelt z. B.
der Typus und namentlich die dünne Model-
lierung des Bartes Gott Vaters auf dem Wasser-
burger Epitaph jenem der Platte mit der
Krönung Maria; auch die Falten haben
manche gemeinsame Züge. Man könnte sich
vielleicht vorstellen, daß der Meister M K,
angeregt etwa durch die prächtigen Arbeiten
Salzburger oder OberösterreicherBuntkeramiker,
sich der Herstellung farbiger Tonwaren zu-
wandte, aus irgendwelchen Gründen aber
wieder davon abkam und seinem künstlerischen
Schaffensdrang durch sorgfältigere Modellierung
Ausdruck gab. Der Meister saß wohl in
Rosenheim oder Wasserburg. Vielleicht ist er
identisch mit einem „Meister Michl hafner zw
Wasserwurg", der für Propst Lucas von Bey-
 
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